Penelope Williamson
Brustansatz so schnell hob und
senkte wie die Flügel eines gefangenen Vogels.
Er war da.
Es war der Abend vor der
Hochzeit ihrer Tochter, und William war nach Hause gekommen. So wie sie es
vorausgesagt hatte.
Er war am
Morgen mit seiner Yacht in den Hafen von Bristol eingelaufen. Sobald sie die
Nachricht erfuhr, hatte Bethel einen Diener mit einem zart duftenden
Briefumschlag in den Yachtclub geschickt. In dem Umschlag steckte eine Karte,
auf der sie ihn zu einem zwanglosen Abendessen zu zweit einlud. Natürlich
erinnerte sie ihn damit diskret daran, daß er immer noch ein Schlafzimmer in
diesem Haus hatte.
Bethel
hatte sich lange nicht entscheiden können, wo sie ihn begrüßen sollte, und
schließlich dieses kleine intime Zimmer neben der Bibliothek gewählt. Der
Hauptgrund dafür waren die beiden Lampen, die den Kamin aus Siena-Marmor
flankierten. Diese Lampen mit ihren lachsrosa burmesischen Glasschirmen hatten
Bethels blasser Haut stets einen vorteilhaften Schimmer verliehen. Außerdem
gefiel ihr die Wirkung der vielen Pfeilerspiegel, die ihre Schönheit für ihn
unendlich oft spiegeln würden.
Fünf
Minuten vor Sieben hatte sie in einer vorteilhaften Pose auf dem mitternachtsschwarzen
Roßhaarsofa Platz genommen. Das Sofa war unbequem, doch sie wußte, der
mattdunkle Bezug bildete einen guten Kontrast zu ihrer weißen Haut und dem
leuchtenden Gold ihrer Haare.
Jetzt
begann die Standuhr endlich langsam und gewichtig zu schlagen. Sieben Uhr. Sie
hatte ihn gebeten, um sieben Uhr zu kommen. Bethel bemerkte plötzlich einen
schlechten, metallischen Geschmack in Mund und Kehle.
Was, wenn
... aber nein! Sie war auf alles vorbereitet. Sie hatte das Haus mit Blumen
schmücken lassen, die Köchin hatte ein Essen mit all seinen Lieblingsgerichten
zubereitet. Sie trug das Kleid, das ihr am besten stand und dessen gewässerte
Seide die Farbe von Rosenöl hatte.
Und sie hatte gehungert, bis
sie so schlank und geschmeidig war wie früher.
Wenn er
das Zimmer betrat, würde sie aufspringen und ihn umarmen. Vielleicht war das
nicht ganz das Richtige, vielleicht würde eine Dame der Gesellschaft das nicht
tun. Aber das junge Mädchen, in das er sich im Ballsaal eines Hotels in Sparta
verliebt hatte, hätte das wahrscheinlich getan – das bezaubernd junge Mädchen,
das Gardenien im Haar getragen hatte.
Der Glockenschlag verklang, und
das Zimmer versank wieder in der Stille, die nur vom Ticken der Uhr
durchbrochen wurde.
Bethel
wartete und wartete ...
Sie wartete noch, als die Uhr
acht und dann neun schlug. Als die Tür schließlich geöffnet wurde, stand sie
mühsam mit steifen und gefühllosen Beinen auf. Doch es war nur Carrews. Der
alte Butler trug auf einem Silbertablett ein gefaltetes Blatt Papier.
Bethels Herz begann schmerzhaft
schneller zu schlagen. Ihre Finger zitterten, als sie das Blatt
auseinanderfaltete. Dann nahmen die Tränen ihr jede Sicht, und es dauerte eine
Weile, bevor sie die Nachricht lesen konnte.
Er werde, schrieb William,
während seines Aufenthalts in Bristol auf seiner Yacht leben und im Club essen.
Einst ..., vor langer Zeit hatte sie mit ihm unter
Kronleuchtern getanzt, die die Wärme und den blendenden Glanz von tausend
Sonnen verstrahlten. Sie erinnerte sich noch deutlich an jene Nacht. Weshalb
konnte sie sich dann nicht an den Augenblick erinnern, an dem sie ihn verloren
hatte?
Bethel
hörte ein Geräusch. Sie hob den Kopf. Ihre Tochter Emma stand in der Tür und
beobachtete sie mit diesen eigentümlichen Augen, die sie weder von ihrer Mutter
noch von ihrem Vater hatte. Sie stand dort mit ihrem wundervollen Gesicht. Mit
ihrer Schönheit hatte es Bethel nie aufnehmen können.
Bethel
hoffte, Emma würde ins Zimmer treten und sich neben sie setzen, sie vielleicht
in die Arme nehmen ... und sie trösten. Doch sie wußte nicht, wie sie darum
bitten sollte, und glaubte nicht, daß Emma von selbst kommen werde – nicht nach
allem, was sie ihr angetan hatte. Sie sprachen nur selten miteinander,
eigentlich nur in Gegenwart von anderen, um der Form Genüge zu tun. Emma hatte
ihr nie Vorwürfe gemacht. Warum auch? Alles war nur zu Emmas Besten geschehen.
Schließlich hatte die Kur geholfen. Emma heiratete morgen Geoffrey Alcott. Sie
war zur Vernunft gekommen. »Mama?« fragte Emma. »Ist alles in Ordnung?«
»0 ja«,
erwiderte sie mit einem gespielten Lächeln und in einem viel zu fröhlichen Ton.
»Ich sitze nur hier und denke über deine Hochzeit nach. Ich gehe in Gedanken
noch einmal
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