Penelope Williamson
erlaubte sie sich das Gefühl ihrer Hand in der seinen.
Sie sah ihm nach, wie er sich von ihr entfernte.
»Es trifft mich jedesmal«,
sagte sie zu der leeren Welt. »Du triffst mich immer wieder mitten ins Herz.«
Später, am
Nachmittag, vertauschte sie den schlichten schwarzen Rock und die schwarze
Bluse mit einem Frühlingskostüm aus graugrüner Seide mit Schleifen und Knöpfen
aus schwarzem Samt und einem großen weißen Chiffonhalstuch.
Sie ging
zu Fuß zum Haus in der Hope Street, zurück auf das sichere vertraute Gebiet
ihres Lebens in der feinen Gesellschaft. Sie ging mit Geoffrey Arm in Arm über
den mit Marmorplatten belegten Weg zum Haus. Die Linden blühten und erfüllten
den blauen Himmel mit süßen Düften und langsam zur Erde sinkenden Blüten. In
der ruhigen Luft hörte sie Lachen vom Tennisplatz und das gedämpfte Geräusch,
mit dem der Schläger den Ball traf.
Wir gehen
zusammen, dachte sie, Geoffrey und ich. Wir gehen auf dem Weg mit den
Marmorplatten unter einem Baldachin blühender Linden. Wir gehen Arm in Arm,
ohne uns zu berühren.
Das Herz
eines Mannes ist wirklich etwas Sonderbares. Seamus McKenna trommelte mit den
Fäusten gegen seine Stirn. Ein Mann liebt eine Frau immer noch, nachdem er
schon lange damit aufgehört haben sollte.
Shay stand
auf dem Gehweg der Hope Street neben einem Eisenpfosten zum Anbinden von
Pferden, als habe er nur kurz angehalten, um Atem zu schöpfen. Er blickte durch
das schmiedeeiserne Tor in den Garten, wo die Reichen zwischen Marmorfaunen und
Nymphen Champagner tranken. Sein Blick suchte eine Frau mit einem schlanken
weißen Hals, einem scheuen Lächeln und Meerschaum-Augen, voll von Leidenschaft
und Sehnsucht.
»Ich
kannte einmal einen Seamus McKenna, der dieses Tor mit seinen Preisboxerfäusten
zertrümmert hätte, um zu der Frau zu gelangen, die er liebt.«
Shay schloß
die Augen, öffnete sie wieder und drehte sich nach seinem Schwager um. »Kannst
du mich nicht eine Minute allein lassen? Was willst du überhaupt hier?«
»Ich komme gerade
zufällig vorbei.«
»Ach ja? In dieser Gegend leben
ja auch jede Menge Katholiken.«
»Und wie ich feststelle,
schwimmt seit neuestem auch der Kabeljau in dichten Schwärmen durch die Hope
Street.«
Shay spürte
einen Schmerz im Nacken, der von der Anstrengung kam, die es ihn kostete, nicht
den Kopf zu wenden und durch das Tor zu spähen, nur um einen Blick auf sie zu
erhaschen. »Ich muß sie noch einmal sehen«, murmelte er, und es überraschte ihn
nicht, daß Donagh seufzte.
»Du hast
sie heute morgen gesehen. Wenn du soviel Verstand hättest, wie Gott einem
Regenwurm geschenkt hat, hättest du alles getan, damit du sie den Rest deines
Lebens jeden Tag sehen könntest.« Shay blickte durch das Tor, er konnte nicht
anders. Er hörte Lachen und das Klingen von Gläsern, doch der Teil des Gartens,
den er einsehen konnte, war menschenleer.
»Manchmal«, sagte er, »führt
das Leben einen Mann an Orte, an die ihm niemand folgen kann. Manchmal können
die, die dich lieben, dir nur eine >gute Reise< wünschen.«
Der Wind
ließ einen Schauer von Lindenblüten auf ihre Köpfe niedergehen. Donagh fing ein
paar mit der Hand auf, ließ sie aber wieder fallen. »Natürlich ist es klug von
dir«, sagte er, »sie nicht in Versuchung zu führen, dem Leben zu erlauben, sie
soweit zu bringen, daß sie mit dir davonläuft. Stell dir doch vor, was sie
aufgeben würde – ein langweiliges Leben und die Ehe mit einem Mann, den sie
nicht liebt. Und stell dir auch vor, was deine Mädchen und dein Sohn erst
aufgeben müßten ... eine Kindheit und Jugend ohne eine Mutter, die sie liebt.«
Ein neuer
Windstoß fuhr durch die Bäume, und Donagh hob seine Melone, um sie sich dann
fester auf den Kopf zu drücken. »0 ja, du bringst ein großes, ehrenwertes Opfer
für deine Kinder. Unsere Bria wäre stolz auf dich.«
Shay sah dem
breiten Rücken des Priesters in seinem schwarzen Talar nach, der sich unter dem
grünen Gewölbe von Ahorn und Ulmen entfernte. Dann blickte er sich nachdenklich
um. Er betrachtete die prächtigen Häuser mit ihren Säulen und hohen Fenstern.
Donagh irrt
sich, dachte er, Preisboxer hin, Preisboxer her, ich kann mit meinen Fäusten
kein Eisentor zertrümmern. Und wenn ich es versuchen sollte, würde ich mich nur
verletzen.
Bethel Tremayne sah sich in den vielen Pfeilerspiegeln des
schönen Zimmers unzählige Male. Selbst im sanften gelben Schein des Gaslichts
konnte sie erkennen, wie sich ihr entblößter
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