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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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die endlosen Listen durch, die mir in den vergangenen acht Monaten
durch den Kopf gewirbelt sind.«
    Ihre Tochter wollte sich
abwenden, doch Bethel hielt sie davon ab. Sie rief Emmas Namen so laut, daß sie
beide erschraken. Und dann kamen ihr die
seltsamsten Worte über die Lippen. Sie entstanden aus einem Gefühl heraus, von
dessen Vorhandensein sie nie etwas geahnt hatte. Diese Worte schmerzten
schrecklich und zerschnitten ihr wie Messer die Kehle.
    »Ich habe ein törichtes Leben
gelebt«, sagte Bethel Tremayne zu ihrer Tochter. »Erst hatte ich nichts, dann
hatte ich alles, und jetzt habe ich wieder nichts mehr.«

Zweiunddreißigstes Kapitel
    An Emmas
Hochzeitstag ging die Sonne in all ihrer rotgoldenen und orangefarbenen
Schönheit auf.
    Emma stand
mit der Sonne auf und war so unruhig, daß sie das Haus verließ und einen
Spaziergang durch die Birken bis hinunter zum Wasser machte. Die Bäume waren
inzwischen voll belaubt. Sie glänzten grün und verheißungsvoll. Emma fand den
Strand nach dem Winter verändert, doch das war immer so. Stürme verwüsteten den
Sand und hinterließen viele Steine. Im Frost starben ein paar Bäume ab, die
Felsen gefroren in der Kälte und barsten. Kein Frühling war jemals genauso wie
im Jahr zuvor.
    Auf dem
Rückweg über den sanft gewellten Rasen blieb sie stehen und blickte auf das
Haus, das silbergrau in der Sonne schimmerte. Bei dem Gedanken, diesen Ort zu
verlassen, erfaßte sie schmerzliche Trauer, als sei es ein Abschied für immer,
obwohl das natürlich nicht so war.
    Emma stieg die Verandastufen
hinauf, als sie ihren Vater entdeckte, der zwischen den Palmen und Korbstühlen
stand.
    Ein
Fremder, der mein Vater ist ...
    Er war groß und schlank. Seine
Haut war tief gebräunt, und er trug die weiße Mütze und den dunkelblauen Blazer
des Seglers. Er stand breitbeinig auf der Terrasse, hatte die Hände im Rücken
verschränkt, als halte er Wacht auf dem Achterdeck.
    Emma
begrüßte ihn aus einiger Entfernung: »Hallo, Papa«, und wußte nicht genau, ob
sie ihn umarmen sollte. Da er sich nicht bewegte, blieb sie stehen, wo sie war.
»Vielen Dank, daß du gekommen bist.«
    Seine Zähne
blitzten weiß in seinem dunklen Gesicht, als er lächelte.
    »Ich würde mir um nichts auf
der Welt die Hochzeit meines kleinen Mädchens entgehen lassen.« Er musterte sie
liebevoll langsam von Kopf bis Fuß. »Allerdings bist du nicht mehr so klein.«
    Emma konnte
darauf nichts erwidern. Sie war äußerlich nicht mehr gewachsen, seit er sie als
Sechzehnjährige zuletzt gesehen hatte. Gewachsen war sie innerlich, und das
konnte er nicht sehen. »Mein kleines Mädchen ...« Er hob die Hand, als wolle er
ihr die Hand auf den Kopf legen. Aber das tat er nicht. Er ließ die Hand wieder
sinken, und Emma sah Tränen in seinen Augen. »Du hast mir gefehlt, mein Kind.«
    Was konnte sie dazu sagen? Er
hatte ihr auch gefehlt, aber er hatte sie verlassen.
    Er löste sich von ihr, drehte
sich zur Seite und stellte auf diese Weise wieder den Abstand zwischen ihnen
her. Emma wußte, der Augenblick der Nähe zu ihrem Vater – der erste überhaupt
– war vorüber, und sie hatte nichts getan, um es zu verhindern.
    Aber er sah sie ohnehin nicht
mehr an. Er hatte das Gesicht wieder dem leichten Wind zugewandt, und in seinen
graugrünen Augen lag ein abwesender Ausdruck. Sein Haar war jetzt ganz weiß,
und er hatte tiefe Falten im Gesicht.
    »Würdest du gern Segeln gehen, Papa?«
    Er hob den Kopf und schnupperte
in die Luft, wie früher, als sie noch klein war. Der Anblick machte sie
traurig, aber sie lächelte trotzdem. »Kein nennenswerter Wind heute. Vielleicht
später.«
    »Aber später werde ich Geoffrey heiraten«, entgegnete
sie. Er sah sie prüfend an. »Und wirst du dann alle deine Spielsachen für immer
wegräumen? Wird es dann für meine kleine Emma keine Träume und keine Abenteuer
mehr geben?«
    Plötzlich hätte sie am liebsten
geweint. Sie mußte heftig schlucken. »Soll ich das tun?«
    »Die Welt verlangt das von dir.«
    Es gab Fragen, die sie ihm
stellen wollte, doch es ging dabei um Dinge, über die geschwiegen werden
sollte.
    Sie betrachtete sein Profil. Er
war älter geworden. Seine Haare waren weiß, und die Falten hatten sich tiefer
in sein Gesicht eingegraben.
    »Papa?« Sie durchbrach mutig
das Schweigen. »Warum hast du Mama geheiratet?«
    Er drehte
sich langsam um. Er dachte offenbar nach und antwortete schließlich: »An dem
Abend, als ich sie kennenlernte, schien sie voller Leben

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