Penelope Williamson
von der Haut abhoben.
»Wozu«,
fragte sie mit etwas unsicherer Stimme, »brauchen Sie so viele Gewehre? Nur um
unsere harmlosen Wasservögel zu schießen?«
Er hob das
Gewehr und blickte über den Lauf. »Das sind nur alte Hinterlader aus eurem
großen Krieg. Ich habe sie mit Teilen, die ich mir hier und da zusammengesucht
habe, wieder instand gesetzt. Ich probiere sie sozusagen aus. Ich will sicher
sein, daß sie nicht nach hinten losgehen und dem ersten, der damit schießt, die
Hand abreißen.«
Emma zuckte erschrocken zusammen,
aber dann lachte sie über ihre Ängstlichkeit. »Das klingt sehr gefährlich.
Könnten Sie sich auf diese Weise nicht selbst verstümmeln?«
»Das wäre
mein eigener Fehler ...«
»Was haben Sie mit den Gewehren
vor?« fragte sie. »Was kann man denn mit diesen alten ausrangierten Waffen
anfangen, die mit verschiedenen Teilen geflickt sind?«
»Nach
Irland schmuggeln.« Er warf ihr einen spöttischen Blick zu. »Dort
wird man damit vielleicht auf kleine vorwitzige Engländerinnen schießen, die
zu viele Fragen stellen.«
Sie mußte über seine Art zu
reden lachen. »Ich bin vielleicht verwöhnt und reich, mein Herr, aber nehmen
Sie bitte zur Kenntnis, daß ich keine Engländerin
bin.«
»Ach ...
so vornehm wie Ihr Yankees von Rhode Island euch gebt, könntet ihr selbst die ould Königin in Angst und
Schrecken versetzen.«
Je nach
Laune ließ er den irischen Dialekt mehr oder weniger in seine Worte einfließen,
aber seine Stimme klang stets, als werde er gefoltert. Es war, als sei ihm die
Kehle zugeschnürt, und er schien sich jedes Wort abringen zu müssen. Emma hätte
zu gerne gewußt, wie er zu der Narbe am Hals gekommen war. Aber auch die
erstaunlich mutige neue Emma, zu der sie geworden war, wagte es nicht, eine
solch persönliche Frage zu stellen.
Sie blickte auf ihren Schoß,
machte eine Falte in ihren Rock und strich sie wieder mit den Fingern glatt.
»Die ...« Sie stellte fest, daß
sie Blut von den Schnepfen auf ihren Handschuhen hatte. Noch ein Paar
Handschuhe, die sie wegwerfen konnte. »Die Füchsin und ihre Welpen ... gehörten
zu dem Fuchs, der gestorben ist.«
Es war eine Feststellung und
keine Frage. Manchmal, wenn sie sich überwand, konnte sie die Wahrheit
aussprechen.
»Der arme Fuchs ist nicht nur
gestorben. Ihr habt die Meute auf ihn gehetzt, und er wurde in Stücke gerissen«,
erwiderte er. Jetzt wußte sie, aus welchem Grund er sie zu der Lichtung
gebracht hatte.
Er setzte das Gewehr an die Schulter und drückte mehrmals
den Abzug. Sie hörte das Klicken und zuckte jedesmal zusammen. »Füchse paaren
sich für das ganze Leben«, sagte er. »Miss Tremayne, glauben Sie, daß Füchse so
etwas wie Liebe kennen?«
Sie zwang
sich, seinen Blick zu erwidern. »Ich weiß es nicht.«
»Ich habe die Füchsin mit den
Welpen ein paar Tage nach der Jagd entdeckt. Sie hatte mit den Zähnen an ihrem
Fell gerissen, so daß es in großen blutigen Fetzen an ihr hing. Sie lief
ständig hin und her und hatte vor dem Bau einen richtigen Pfad getreten,
während sie darauf wartete,
daß er zurückkommen würde. Aber der Fuchs kam nicht mehr zurück. Vermutlich hätte
sie nichts mehr gefressen und getrunken und wäre selbst gestorben, wenn sie
nicht die vier Welpen mit Futter zu versorgen hätte. Deshalb mußte sie
weiterleben.«
Emma ließ den Kopf sinken, damit er die
Tränen nicht sah, die ihr in die Augen traten. Sie wußte, er hätte sie für
sentimental gehalten. Sie verschob mit der schmutzigen Schuhspitze die
gefallenen Blätter und Nadeln auf der Erde. Eine Träne fiel auf ihren Rock und
hinterließ auf dem zitronengelben Stoff einen dunklen Fleck, so dunkel wie ein
Bluttropfen. »Ich wollte nicht ..., daß der Fuchs getötet wurde.«
»Sie wollten es nicht, aber die
Füchsin hat ihn verloren. Ihr Verlust bedeutet nicht, daß der Wind nicht durch
die Zweige weht, die Sonne nicht auf den Hafen scheint und ihre Jungen keine Nahrung
verlangen. Aber Sie waren doch auf der Jagd, oder nicht?«
Sie hob stolz den Kopf. »Sie
auch! Außerdem nehmen wir Tremaynes immer an der letzten Jagd der Saison teil.«
»Ach ja?«
»Ich kann es nicht ändern!«
rief Emma. »Ich kann nichts dagegen tun, daß ich bin, wer ich bin.«
Er sah sie lange an, aber er
erwiderte nichts. Im Schatten der Bäume funkelten seine Augen wie Glassplitter
am Strand.
Sie drehte
ihm den Rücken zu. Er war grausam und verachtenswert. Er war ein irischer
Schmuggler, der von nichts eine Ahnung hatte,
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