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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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der sich am Strand herumtrieb und
harmlosen Vögeln die Köpfe abschoß. Und dann besaß er die Unverfrorenheit ihr
vorzuwerfen, daß sie an einer Fuchsjagd teilnahm. Sie war entschlossen
aufzustehen, ihn ohne ein weiteres Wort zu verlassen, um ihm zu zeigen ... zu
zeigen ...
    Sie entdeckte zwischen den
Steinen eine Sternblume, beugte sich vor und pflückte sie. Sie drehte den
Stengel zwischen den Fingern, und die goldgelben Blütenblätter kreisten wie ein
kleines Windrad. »Warum lehnen Sie mich ab?«
    »Sie schmeicheln sich in der
Annahme, daß ich überhaupt einen Gedanken an Sie verschwende.«
    »Sie lügen, mein Herr, wenn Sie
das bestreiten«, erwiderte Emma und versuchte, sein Irisch nachzuahmen.
    Er lachte. »Lügen
... das ist ein großes Wort. Sie würden natürlich nie daran denken zu
lügen, ganz besonders dann nicht, wenn Sie mit meinesgleichen reden. Aber Sie
sind Ihr ganzes junges Leben lang immer nur vor der Wahrheit davongelaufen. Und
außerdem zerdrükken Sie die arme Blume in Ihrer Hand.«
    Emma öffnete die geballte
Faust, und die geknickte Sternblume fiel auf die Erde zwischen das dürre Laub
und die Kiefernnadeln.
    »Vor ein paar Tagen«, sagte
sie, »war ich auf der Farm meines Vetters. Ich bin zum Hundezwinger gegangen,
und jemand hat mir gesagt, daß Sie entlassen worden sind.«
    »Ja, ich
arbeite wieder auf den Zwiebelfeldern. Eine schreckliche Arbeit«, sagte er und
rollte dabei das r übertrieben. Er sah sie mit lachenden Augen an. »Von der
Hacke bekommt man Blutblasen an den Händen, und man hat das Gefühl, als würde
einem der Rücken in zwei Stücke brechen.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause
und fragte dann: »Freut es Sie, Miss Tremayne, zu hören, daß ich leide?«
    »Sie schmeicheln sich, mein
Herr, wenn Sie glauben, daß ich für Sie irgend etwas empfinde.«
    Er lächelte, und auch sie mußte
lächeln. Der Augenblick schien eine Ewigkeit zu dauern und endete abrupt, als
er aufstand. Er reichte ihr die Hand und half ihr, sich zu erheben.
    »Es ist
Zeit, daß Sie nach Hause gehen, Miss Tremayne«, sagte er in seiner brüchigen
Stimme. »Sonst glaubt noch jemand, Sie hätten sich verirrt.«
    Sie drehte sich um und verließ
ihn. Der Wind rauschte plötzlich in den Baumwipfeln, und ein Schauer süß
duftender Kiefernnadeln ging auf sie nieder.
    Wenn ich auch nur einen Funken
Stolz in mir habe, werde ich mich nicht nach ihm umdrehen, dachte Emma.
    Sie besaß
keinen Stolz.
    Sie drehte sich um, doch er war
fort. Sie sah nur den umgestürzten Baum und die Lücke in der Mauer, aber er war
bereits gegangen. Er war so spurlos
verschwunden, daß sie sich versucht fühlte, zurückzugehen, um einen Beweis
dafür zu finden, daß er überhaupt da gewesen war.
    Ja, in der
feuchten Erde sah sie den Abdruck seiner Stiefel. Eine leere Patronenhülse
blitzte in der Sonne, und es roch schwach nach Maschinenöl.
    Aber für
den Rest des Tages war ihr der Hals wie zugeschnürt, und eine seltsame
Traurigkeit lastete auf ihr, als müsse sie um etwas trauern, das sie nie
gesehen hatte, etwas, das es selbst in ihrer Vorstellung nie gegeben hatte.

Zwölftes Kapitel
    Emma vergaß, daß sie ihre Bildhauerei eigentlich hatte
aufgeben wollen.
    Nach diesem Tag im Wald
verbrachte sie viele Stunden in der alten Orangerie. Sie formte den Ton,
zerstörte das Geschaffene wieder und machte sich erneut daran, das weiche
Material zu bearbeiten.
    Spät abends
beim Schein einer Petroleumlampe hielt sie schließlich inne und betrachtete,
was sie erschaffen hatte. Ihre Hände begannen zu zittern, denn zum ersten Mal
wurde ihr bewußt, daß eine Ader von ihrem Herzen zu ihren Händen führte und zu
jenen Dingen, die sie damit schuf. Emma wußte, eines Tages würde sie diese Ader
finden. Und dann würde sie diese Ader öffnen, sie würde bluten und vielleicht
sogar sterben, aber sie würde etwas getan haben, das Wirklichkeit besaß.
    Emma blickte auf jenes Ding,
das ihre Hände geformt hatten, und sie sah nicht ein Modell aus Ton, sondern
Knochen, Haut und Sehnen. Es waren die Hände eines Mannes, der nach dem Himmel
griff.
    Es waren seine Hände.
    Sie hatte
sich dafür entschieden, nur die Hände bis zu den Handgelenken zu formen. Sie
wollte nicht mehr von ihm – nur seine Hände.
    Emmas
übriges Leben drehte sich in einem Karussell von Einladungen zum Tee und zu
Abendgesellschaften. Sie besuchte Wohltätigkeitsveranstaltungen und verbrachte
mehrere Abende in der Woche beim Whist.
    Nur ein Vormittag ragte aus

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