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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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besonders schlimm. Willst du wirklich ...?«
    Sie lehnte
sich an ihn und klopfte leicht auf das Revers seines Gehrocks, dann strich sie
ihm die Haare im Nacken glatt. Damit überraschte sie ihn ebenso wie sich
selbst, denn sie hatte ihn noch nie zuvor bewußt und so liebevoll berührt. »Ich
hatte bereits die Masern, Geoffrey. Und Masern kann man nur einmal bekommen.«
    Er
lächelte traurig, ergriff ihre Hand, die immer noch auf seinem Gehrock lag und
führte sie an die Lippen. »Natürlich mußt du eine kranke und zweifellos einsame
Freundin besuchen. Verzeih, daß ich nur an mich gedacht habe. Wir werden in
Zukunft noch viele gemeinsame Mittagessen haben. Schließlich werden wir den
Rest unseres Lebens zusammen verbringen.«
    Sie errötete schuldbewußt, und ihre
Hand zitterte in der seinen. Sie staunte darüber, was für ein schrecklicher
Mensch sie war, denn sie hatte ihn noch nie so sehr gemocht wie in diesem
Augenblick, in dem sie ihn bewußt täuschte.
    »Ja, das stimmt. Uns bleibt der
Rest unseres Leben. Vielen Dank ... Geoffrey«, sagte sie und verließ ihn
schnell, damit er nichts erwidern konnte.
    Sie suchte sich einen Weg unter
den mächtigen Ulmen und an alten Grabsteinen vorbei über den Friedhof. Sie
zitterte innerlich vor Angst und Scham, aber gleichzeitig staunte sie über sich
selbst.
    Was mache ich da, dachte sie
fassungslos. Emma Tremayne, was soll das bedeuten?
    Die
Prozession der Maienkönigin hatte die nächste Straßenecke erreicht und bog in
die Thames Street ein. Die meisten Leute waren dem Zug gefolgt, deshalb sah
Emma die Frau auf dem jetzt beinahe menschenleeren Gehweg sofort. Sie hatte den
Laternenpfahl losgelassen und stand vor dem Schaufenster der Drogerie. Sie
drückte die Stirn an das Glas, als versuche sie, die Werbesprüche der
ausgestellten Haarfärbemittel und Mittel gegen Verdauungsbeschwerden zu lesen.
Aber sie hustete noch immer. Der Anfall wurde so schlimm, daß sie sich krümmte
und am ganzen Körper zu zittern begann. Schließlich richtete sie sich zuckend
wieder auf, doch sie schwankte und wäre beinahe gestürzt.
    Sie lehnte
mit der Schulter am Schaufenster, als Emma sie schließlich erreichte. Die Frau
sah sie mit großen dunklen Augen an, so als habe sie Angst. Dann wurde ihr
Blick starr, und sie sank langsam auf den Gehweg.
    Emma kniete
neben ihr nieder. Das Gesicht der Frau war leichenblaß und schweißbedeckt. Sie
atmete flach und keuchend. In einer Hand hielt
sie ein blutiges Taschentuch und eine kleine braune Flasche.
    »Du meine
Güte!«
    Emma
drehte sich um. Hinter ihr stand ein Mann. Er hatte ein rundes Gesicht mit
kleinen schwarzen Augen. Der Mann kam ihr bekannt vor, aber Emma konnte sich
nicht an seinen Namen erinnern. Er gehörte nicht zur Gesellschaft.
    »Bitte«, sagte sie. »Wären Sie
so freundlich, mir zu helfen? Diese Frau hier ist ...«
    »Miss Tremayne!« rief der Mann,
beugte sich vor und starrte ihr ins Gesicht, als traue er seinen Augen nicht.
»Sie sollten sich nicht mit einer unbedeutenden Arbeiterin abgeben. Sie ist
betrunken, und das an einem Sonntag. Das ist eine Schande!«
    »Sie ist
nicht betrunken. Sie ist krank.«
    »Das ist noch schlimmer. Man
stelle sich vor, welche Ansteckungsgefahr möglicherweise von ihr ausgeht.«
    Er schien sich plötzlich an die
eigene Sterblichkeit zu erinnern, wich schnell zurück und hielt sich ein
Taschentuch vor den Mund.
    In diesem Augenblick begann es
heftig zu regnen. Der beleibte Mann und die wenigen anderen Fußgänger, die
neugierig stehengeblieben waren, eilten davon. Entweder hatten sie Regenschirme
oder hielten sich Zeitungen über die Köpfe.
    Die Frau bewegte sich stöhnend
und fiel dann in eine noch tiefere Ohnmacht. Emmas Kutscher wartete mit dem
Wagen vor der Kirche. Aber sie wollte die Kutsche nicht holen und die Frau
allein auf dem Gehweg im strömenden Regen liegen lassen.
    Der Regen
wurde immer heftiger. Die Frau begann so sehr zu zittern, daß sie mit den
Zähnen klapperte, obwohl ihre Augen geschlossen waren, und es so wirkte, als
befände sie sich in einem tiefen, todähnlichen Schlaf. Emma schob ihr den
Hermelinmuff unter den Kopf, zog den Pelzmantel aus und breitete ihn über die
Frau.
    Das Regenwasser rann in Bächen
über die Markise der Drogerie, und Emma hatte das Gefühl, durch einen
Wasserfall hindurch auf die menschenleere Straße zu blicken. Seltsamerweise
glaubte sie plötzlich, ein Summen zu hören.
    Hinter dem Regenvorhang bewegte sich etwas ... das Kind!
    Die Kleine kam

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