Pennäler contra Pauker
und der ausgestopfte Orang-Utan dort fehl am Ort ist. Er stürzt abermals in die besagte Klasse und sieht zu seinem Schrecken, daß der Orang-Utan nicht mehr da ist. Statt seiner steht der Schüler Pidlmaier auf dem Tritt und sucht mit dem Zeigefinger auf der Landkarte die Rheinmündung. Der Mathematiker läuft zur Tür hinaus, sieht nach der Tafel und merkt, daß er es hier mit der Tertia A und nicht mit der Sekunda zu tun hat. Er sucht die Sekunda auf, sie ist aber leer. Der Schulwart sagt ihm, es sei Turnen. Der gehetzte Gelehrte überfällt abermals den Leiter der Anstalt und stöhnt: «Herr Direktor, mir ist die Sekunda abhanden gekommen.»
Schließlich stellt sich heraus, daß es in Wirklichkeit Dienstag ist, daß es an der Lehranstalt insgesamt drei Sekunden gibt und der Herr Professor heute in die betreffende Klasse befördert wurde, legt der Mathematiker sein Schlüsselbund und das Lehrbuch auf den Tisch und will seine Melone an den Haken hängen; da merkt er, daß er sie gar nicht hat. Er schickt also einen verläßlichen Schüler in das Paukerzimmer, den Hut zu holen. Als der Bote fort ist, stellt sich heraus, daß die Melone schon an dem Haken hängt; der Herr Professor hatte sie nämlich gestern dort vergessen. Der Gelehrte quakt vor Freude und setzt sich den Hut auf. Bald darauf kommt ein anderer Bote in die Klasse, der Melone Nummer zwei bringt, die der Herr Professor heute in der Quinta vergessen hatte.
Der Mathematiker packt Melone Nummer eins, vertraut sie dem Boten Nummer zwei an, damit er sie ins Paukerzimmer trage, setzt sich Melone Nummer zwei auf und stellt fest, daß es nicht sein Hut sei. Er wirft daher den Boten Nummer zwei samt der Melone hinaus und schickt den Boten Nummer vier aus, damit er Melone Nummer eins und die Boten Nummer eins und Nummer drei zurückhole. Dann beginnt der Unterricht.
«Kommen Sie an die Tafel, Brandhuber. Wo haben Sie die Hausarbeit? Vergessen? Marsch in die Bank, Sie Faultier! Hübner, zeigen Sie mir Ihre Aufgabe! Wo ist das Löschblatt? Und was sollen die Tintenkleckse und die Eselsohren? Ein verheerendes Material in dieser Klasse! Und darauf soll ich basieren! »
Plötzlich schnellt der Mathematiker empor und wirft mit mächtigem Schwung das Schlüsselbund auf die Bank des Schülers Paudler, der aus Linealen und Büchern ein Haus zu errichten versuchte. Mit einem prachtvollen Treffer zerstört er den hinfälligen Bau und rast eine Weile wütend und schimpfend durch die Klasse.
«Wo ist der Brandhuber», schreit er, vor einer leeren Bank stehenbleibend. «Warum wurde mir nicht gemeldet, daß er fehlt?»
«Ich bin hier an der Tafel», macht ihn der Gesuchte aufmerksam.
«Was machen Sie dort?» fragte der Matheser streng. «Ach ja, Sie wurden aufgerufen. Warum schweigen Sie? Haben Sie noch keine Aufgabe? Schreiben Sie: a minus zwei c zum Quadrat plus Klammer drei b...»
«Heute haben wir Geometrie!» ertönen protestierende Stimmen.
«Warum sagt ihr das nicht gleich? Also nun flink. Zeichnen Sie einen Kreis mit dem Halbmesser...»
Der Bote mit der Melone Nummer eins tritt ein.
«Was wollen Sie hier?» fährt ihn der Matheser an. «Stören Sie uns jetzt nicht!»
«Ich bringe den Hut, bitte.»
«Welchen Hut? Ach ja, meinen Hut. Gut, Sie können gehen.»
«Ich gehöre doch hierher.»
«Also marsch auf den Platz.» Der Gelehrte setzt sich den Hut auf und fährt im Diktieren der Aufgabe fort. Im gleichen Augenblick bimmelt es.
«Ei potz, ist die Stunde schon wieder um?» fragt der Mathematiker erschrocken und gibt rasch eine Hausarbeit. Worauf er die Melone abnimmt, an den Haken hängt und eilig die Klasse verläßt.
Das Wesen des Mathematikers stellt ewige Eile und Bewegung dar. Er kommt gleichzeitig an mehreren Orten vor, was mit seinem irrationalen Wesen zusammenhängt, läuft durch die Anstalt und treibt alles zu rascherem Tempo an. Er hält ein Schlüsselbund in der Hand, mit dem er unaufhörlich klirrt, um die Schüler auf sein Kommen aufmerksam zu machen; in der Klasse benutzt er ihn zum Werfen und zum Treffen verschiedener Gegenstände. Er trifft mit der Kreide genauso vorzüglich. Seine Melone, die ewig unterwegs ist, weil er sie immerzu vergißt, ist mit verschiedenen Figuren und Ziffern bemalt, womit sich jeder Bote den langen Weg von einem Stockwerk ins andere verkürzt. Es wirkt sehr stilvoll, und der Mathematiker staunt immer wieder, wenn ihn die Leute in der Straßenbahn mit «Herr Professor» anreden. Er findet eine Erklärung dafür in
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