Pension der Sehnsucht
absichtlich so begriffsstutzig an?«
Nelly missfiel sowohl die Frage als auch der Ton. »Wenn du dich etwas deutlicher ausdrücken könntest, wäre ich vielleicht nicht so begriffsstutzig.«
»Bis jetzt hatte ich geglaubt, dass dieser Aufenthaltsraum über eine gut funktionierende Stereoanlage verfügt.«
»Diesen Glauben will ich dir nicht nehmen.« In Nelly regte sich der Widerspruchsgeist. »Aber ich begreife immer noch nicht, worauf du hinauswillst.«
»Warum wird die Stereoanlage nicht benutzt? Warum bedienst du diesen vorsintflutlichen Apparat?« Mit dem Kinn deutete er auf den Plattenspieler.
»Die Stereoanlage wird nicht benutzt, weil heute Montag ist.« Sie betonte jedes einzelne Wort.
»Ach so.« Percy blickte zur Tanzfläche hinüber, wo ein Paar einem anderen zeigte, wie man korrekt Tango tanzte. »Das erklärt natürlich alles.«
Seine Ironie brachte Nellys Blut in Wallung. Sie verbiss sich eine Reihe frecher, aber unkluger Bemerkungen und stöberte hektisch in dem Plattenvorrat. »Montagabends spielen wir immer alte Platten. Im Übrigen ist es kein vorsintflutliches Gerät«, fügte sie allen guten Vorsätzen zum Trotz hinzu, »sondern eine Antiquität, ein Museumsstück.«
»Nelly, warum spielst du montagabends alte Platten?« Er sagte es in einem Ton, als spräche er mit einer geistig behinderten Person.
»Darum.« Nelly kniff die Lippen zusammen.
Percy winkte ab, als sie zu einer Erklärung ausholen wollte. »Warte.« Rasch durchquerte er das Zimmer und sprach kurz mit einem der Gäste. Nelly schäumte vor Wut, denn sie beobachtete, wie er dabei sein charmantestes Lächeln aufsetzte.
Doch sein Gesicht war todernst, als er wieder zu ihr zurückkam. »Du wirst für eine Weile am Plattenspieler abgelöst. Und jetzt komm mal mit nach draußen.«
Ohne viel Umstände nahm er ihren Arm und schob sie zur Tür. Die kühle Nachtluft trug nicht dazu bei, Nellys Pulsschlag zu senken. Percy zog hinter sich die Tür zu und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Hauswand. »Jetzt darfst du mir erzählen, was du auf dem Herzen hast.«
»Ach, du regst mich so auf, dass ich vor Zorn schreien könnte.« Nach dieser Drohung wanderte Nelly die Veranda auf und ab. »Warum musst du solch ein … ein …«
»Spielverderber sein?« schlug Percy vor.
»Ja, genau das wollte ich sagen.« Nelly war aufgebracht, weil ihr das Wort selbst nicht eingefallen war. »Alles lief wunderbar, bis du kamst, um von deinem hohen Ross auf uns herabzublicken.«
Eine Zeit lang schwieg Nelly. Dann fuhr sie fort: »Die Leute da drinnen haben Spaß an der Sache.« Mit ausgestrecktem Arm deutete sie auf ein offen stehendes Fenster. Ein langsamer Walzer erklang. »Du hast kein Recht, diese Art von Vergnügen zu kritisieren. Nur weil wir keine Kapelle engagieren oder Schlager aus der Hitparade spielen, heißt das noch lange nicht, dass sich unsere Gäste nicht gut unterhalten. Ich verstehe wirklich nicht, was du daran auszusetzen hast …« Sie verstummte, als er ihren Arm ergriff.
»Schon gut. Reg dich wieder ab.« Percy drehte sie energisch zu sich herum, und das Haar fiel ihr ins Gesicht. Ungeduldig strich sie es sich aus der Stirn. »Ich schlage vor, wir fangen noch mal ganz von vorn an.«
»Weißt du was«, stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor, »mit deiner Ruhe machst du mich noch wahnsinnig.«
»Du bist zu temperamentvoll«, entgegnete er, »und neigst dazu, in deiner Erregung weit übers Ziel hinauszuschießen.« Ihr fiel auf, dass seine Stimme gefährlich leise klang. »Wenn du mir gegenüber nicht so viele Vorurteile hättest, bräuchtest du dich nicht durch jedes Wort von mir beleidigt zu fühlen.«
Wütend funkelte sie ihn an. Er fuhr fort: »Falls du dich erinnerst, begann dieses denkwürdige Gespräch mit einer ganz einfachen Frage von mir.«
»Und ich gab dir eine ganz einfache Antwort.« Sie stockte. »Wenigstens glaube ich das.« Verzweifelt warf sie die Arme hoch. »Du kannst nicht von mir verlangen, dass ich mich noch genau an das erinnere, was du sagtest und was ich darauf erwiderte. Du brauchst ja mindestens zehn Minuten, um überhaupt zum Thema zu kommen.« Sie atmete tief durch, als sie merkte, dass ihr Temperament schon wieder mit ihr durchging. »Na schön, fangen wir noch mal von vorn an. Wie lautete doch gleich deine ganz einfache Frage?«
»Nelly, du schaffst es, einen Heiligen zur Weißglut zu bringen. Bei dir braucht man wirklich eine Engelsgeduld.« Er stöhnte leise. »Ich möchte
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