Pension der Sehnsucht
durfte in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich sein. Mit einem flehenden Blick, der einen Stein zum Erweichen gebracht hätte, sah sie Max an. »Ach, Max, was soll ich denn jetzt tun?«
Max war zwar schon weit über fünfzig, aber dennoch längst nicht immun gegen einen bittenden Blick aus großen grauen Augen. Er trat von einem Fuß auf den anderen, seufzte ein paarmal und nahm Nelly dann das Rad aus der Hand. »Na schön, ich fahre für dich nach Burlington. Vor dem Abendessen läuft die Maschine wieder, aber früher bestimmt nicht. Hexen kann ich auch nicht.«
»Danke, Max, du bist ein Schatz.« Nelly stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Ohne dich wäre ich verloren.«
Max packte sein Werkzeug zusammen und machte sich davon.
»Komm heute Abend mit deiner Frau zum Essen. Es geht auf Kosten des Hauses.« Mit einem selbstzufriedenen Lächeln sah Nelly Max hinterher. Dann fiel ihr plötzlich Percy wieder ein. Sie räusperte sich und wandte sich ihm zu.
»Für deine Augen brauchst du einen Waffenschein«, meinte er. »Jeder Mann ist dir ja hilflos ausgeliefert.«
»Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst.« Gespielt gleichgültig rümpfte sie die Nase.
»Tu nicht so scheinheilig.« Percy lachte und nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ich habe noch nie einen derart berechnenden Blick gesehen. Armer Max.«
»Vielleicht brauchst du eine Brille«, erwiderte sie schnippisch. Ihr Herz klopfte wieder einmal viel zu schnell. »Ich habe lediglich im Interesse des Hauses gehandelt. Schließlich ist es meine Pflicht, mich für den Betrieb einzusetzen.«
»Sehr richtig«, stimmte er zu. Dann beugte er sich über die defekte Spülmaschine. »Hast du schon einen Plan, wie du den Abwasch bewältigst, bis dieses Ding hier wieder funktioniert?« fragte er dann.
»Natürlich.« Sie blickte auf die beiden Spülbecken aus blitzendem Edelstahl. »Kremple dir schon mal die Ärmel auf.«
Nelly wunderte sich überhaupt nicht darüber, dass sie wenige Minuten später Seite an Seite mit Percy vor der Spüle stand und Geschirr abwusch. Die gemeinsame banale Tätigkeit schien sie miteinander zu verbinden, denn sie vertrugen sich hervorragend. Sie unterhielten sich und scherzten miteinander, als hätte niemals eine Spannung zwischen ihnen bestanden. Als Elsie in die Küche kam, um mit den Vorbereitungen für das Mittagessen zu beginnen, nahmen sie kaum Notiz von ihr.
»Ich habe kein einziges Teil zerbrochen«, erklärte Percy stolz, während Nelly den letzten Teller in den Schrank stellte.
»Aber nur, weil ich zweimal im letzten Moment zugegriffen habe, als ich merkte, dass dir was aus der Hand rutschte.«
»Das ist eine ganz infame Unterstellung.« Percy legte den Arm um ihre Schultern und führte sie aus der Küche. »Mach dich bloß nicht unbeliebt bei mir. Stell dir vor, Max schafft es nicht, bis zum Abendessen die Spülmaschine zu reparieren. Was tust du dann?«
»Daran wage ich gar nicht zu denken. Trotzdem habe ich mir über diese Möglichkeit Gedanken gemacht.« In ihrem Büro ließ sich Nelly auf den erstbesten Stuhl fallen. »Ich kenne ein paar junge Leute hier im Ort, die ich im Nu mobil machen könnte. Aber Max lässt mich schon nicht im Stich.«
»Dein Vertrauen möchte ich haben.« Percy setzte sich an den Schreibtisch.
»Du kennst Max eben nicht. Wenn er sagt, dass die Maschine vor dem Abendessen wieder läuft, dann funktioniert sie auch zu diesem Zeitpunkt. Im Zweifelsfall hätte er geäußert: ›Ich werd’s versuchen‹, oder: ›Mal sehen, ob es geht‹, oder so ähnlich. Aber wenn Max etwas verspricht, dann hält er es auch. Das ist eben der Vorteil, wenn man jeden, mit dem man zu tun hat, persönlich kennt.«
Percy nickte zustimmend. Gleich darauf klingelte das Telefon. Nelly sprang auf und hob ab.
»Hotel Lakeside Inn. Ach, du bist es, Marilyn. Hallo. Nein, ich war den ganzen Vormittag über beschäftigt.« Sie hockte sich auf die Schreibtischkante und stöberte in einem Papierstapel herum. »Ja, deine Liste habe ich hier. Nein, tut mir leid, ich bin gerade erst ins Büro gekommen. Ich würde sagen, du wartest ab, bis du ganz genau weißt, wer alles kommt. Dann können wir mit dem Essen und den Getränken besser planen. Wir haben ja noch genug Zeit. Du heiratest doch erst in vier Wochen. Verlass dich ganz auf mich, ich habe schon mehr Hochzeitsfeiern ausgerichtet. Ja, ich kann verstehen, dass du besorgt bist. Nimm’s nicht so tragisch. Von einer
Weitere Kostenlose Bücher