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Pension der Sehnsucht

Pension der Sehnsucht

Titel: Pension der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Aussage in die Enge getrieben. Wenige Minuten später saß sie Percy am Esstisch gegenüber, nachdem sie ihm den ganzen Nachmittag erfolgreich aus dem Weg gegangen war.
    Entgegen ihrer Erwartung verlief das Essen recht harmonisch. Gelegentlich ertappte sich Nelly sogar dabei, dass sie sich von Percys Charme regelrecht umnebelt fühlte. Doch jedes Mal, wenn sie merkte, dass ihre Feindseligkeit schwand, besann sie sich wieder und setzte eine verschlossene Miene auf.
    Sie tranken ihren Kaffee, als Eddie sich dem Tisch näherte. »Mr. Reynolds?« Nelly atmete auf, als Eddie weder verlegen um den heißen Brei herumredete noch aufgeregt mit einer Neuigkeit herausplatzte, sondern ruhig und sachlich meldete: »Da ist ein Anruf für Sie, aus New York.«
    »Danke, Eddie. Stellen Sie das Gespräch bitte auf den Apparat im Büro. Es dauert bestimmt nicht lange«, sagte er zu Nelly und erhob sich.
    »Meinetwegen brauchst du dich nicht zu beeilen.« Nelly deutete ein Lächeln an. »Ich muss mich ohnehin gleich wieder um meine Arbeit kümmern.«
    »Bis gleich dann.« Ihre Blicke begegneten sich, und unvermittelt bückte Percy sich und küsste Nelly auf die Wange.
    Nelly öffnete den Mund, rieb sich die Stirn und wunderte sich, woher das plötzliche Schwindelgefühl kam. Sie zwang sich dazu, ruhig durchzuatmen, trank ihren Kaffee aus und begab sich dann eilig in den Aufenthaltsraum.
    Die Montagabende im »Lakeside Inn« verliefen nach alter Tradition. Im Aufenthaltsraum wurde die Geselligkeit gepflegt. Auf der Schwelle blieb Nelly kurz stehen und blickte sich prüfend um.
    In den Kutscherlampen brannten schon die Kerzen. Tische, Stühle und Sessel waren zur Seite gerückt, sodass eine Tanzfläche frei blieb. Nelly war mit der Atmosphäre zufrieden und trat an den Plattenspieler. Das viel benutzte, aber zuverlässige Gerät befand sich in einer Mahagonitruhe. Andächtig streichelte Nelly den polierten Deckel.
    Die ersten Gäste trafen ein, während Nelly noch die Schallplatten aussuchte. Die gedämpften Stimmen im Raum waren Nelly so vertraut, dass sie kaum in ihr Bewusstsein drangen. Gläser klirrten, Eiswürfel klapperten, und gelegentlich erklang Gelächter.
    Geschickt wie ein geübter Mechaniker setzte Nelly das leicht antiquierte Gerät in Gang und legte die erste Platte auf. Die dicke schwarze Scheibe begann sich zu drehen, Nelly setzte den Tonarm in die Rille, und eine Melodie ertönte, dünn, von kratzenden Geräuschen untermalt, jedoch stimmungsvoller als manches moderne Musikstück. Ehe die Platte zur Hälfte abgespielt war, bewegten sich drei Paare auf der Tanzfläche. Wieder hatte ein Montagabend begonnen.
    Während der nächsten halben Stunde spielte Nelly eine alte Melodie nach der anderen. Sie hatte festgestellt, dass den meisten Gästen, unabhängig von ihrem Lebensalter, ein Ausflug in die musikalische Vergangenheit gefiel. Vielleicht, weil diese einfachen Melodien zu der Schlichtheit des Hotels passen, überlegte sie. Doch achselzuckend verzichtete sie darauf, weiter darüber nachzugrübeln, und schaute lächelnd einem älteren Paar zu, das zu einem Foxtrott über die Tanzfläche wirbelte.
    »Was, in aller Welt, ist hier los?«
    Nelly zuckte bei dieser zischenden Frage zusammen. Sie blickte Percy fest in die Augen. »Aha, wie ich sehe, hast du deinen Anruf beendet. Es war hoffentlich keine schlechte Nachricht?«
    »Nichts Besonderes.« Er wartete, bis sie die Platten ausgewechselt hatte, dann wiederholte er seine Frage. »Nelly, ich will wissen, was hier los ist.«
    »Hier wird getanzt«, entgegnete sie schnippisch. An dem vernehmlichen Kratzen der Platte merkte sie, dass die Nadel ausgewechselt werden musste. »Nimm irgendwo Platz, Percy, ich sage dann Bescheid, dass man dir was zu trinken bringt. Du liebe Güte, diese Stahlnadeln sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.« Mit spitzen Fingern zog Nelly einen Ersatz aus dem Kästchen und machte sich an die Arbeit.
    »Wenn du damit fertig bist, hättest du dann vielleicht die Güte, dich mir zu widmen?«
    Nelly war von der Schwierigkeit ihrer Aufgabe so beansprucht, dass sie den beißenden Unterton überhörte. »Natürlich.« Sie setzte den Tonarm mit der neuen Nadel behutsam auf die Platte zurück. »Was möchtest du denn, Percy?« Sie hob den Kopf und blickte zur Bar hinüber.
    »Zunächst eine Erklärung.«
    »Eine Erklärung?« wiederholte sie spöttisch. »Was soll ich dir denn erklären?«
    »Nelly.« Sie merkte, dass er gereizt war. »Stellst du dich

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