Pension der Sehnsucht
ihn.
»Meinst du wirklich?« flüsterte Percy, ehe er sie küsste.
Widerstandslos vertraute sie sich seiner Umarmung an. Dann ließ er sie los und streichelte ihren Rücken. Nelly verschränkte die Arme in seinem Nacken und wünschte sich nichts sehnlicher als seine Zärtlichkeit.
Unvermittelt ließ er sie frei. Sie verlor das Gleichgewicht und taumelte gegen die Wand.
»Zieh dich jetzt um.« Er wandte sich ab und umschloss den Türgriff.
Impulsiv streckte Nelly die Hand nach ihm aus. »Percy …«
»Umziehen sollst du dich«, wiederholte er scharf und warf die Tür zu seinem Zimmer hinter sich zu.
Noch lange rätselte Nelly über Percys seltsames Benehmen. War es verletzter Stolz? Oder war er wütend auf sie? Sein Verhalten konnte sie sich beim besten Willen nicht erklären.
Der Morgen dämmerte. Die Sterne verblassten und erloschen ganz, als die Sonne sich dem Horizont näherte. Nelly stand auf und war froh, dass sie die Nacht überstanden hatte.
Das Dinner mit Percy war ein Fehlschlag wegen der gespannten Atmosphäre gewesen. Sie unterhielten sich betont höflich miteinander, und Nelly hatte den Eindruck gehabt, als säße sie mit einem wildfremden Mann am Tisch. Gleich nach dem Essen schützte sie Müdigkeit vor und zog sich in ihr Zimmer zurück. Die ganze Nacht lang fand sie keine Ruhe.
Sehr spät hörte sie, wie Percy die Suite betrat. Sie hielt den Atem an, damit er nicht wahrnahm, dass sie noch immer wach lag. Erst nachdem er die Tür zu seinem Zimmer leise ins Schloss gezogen hatte, atmete sie erleichtert auf.
Und nun, da der Morgen graute, fühlte sich Nelly wie zerschlagen. Bekümmert erinnerte sie sich an die Ereignisse des vergangenen Tages und gestand sich offen ein, dass sie Percy liebte. Doch gleichzeitig wusste sie, dass sie nicht auf Gegenliebe stieß.
Sie zog sich einen Bikini an, griff nach einer Frotteejacke und schlich auf Zehenspitzen aus ihrem Zimmer.
Der Ausblick aus dem Fenster des Wohnraums zog sie magisch an. Sie beobachtete den Sonnenaufgang. Die ersten Sonnenstrahlen tauchten den Horizont bereits in ein goldenes Licht.
»Wirklich ein herrlicher Anblick.«
Erschrocken drehte Nelly sich um und wäre beinahe mit Percy zusammengeprallt, dessen Schritte sie auf dem dicken Teppichboden nicht gehört hatte.
»Ja, wirklich«, pflichtete sie ihm bei, »ich finde, es gibt nichts Schöneres als einen Sonnenaufgang.« Sie merkte, wie gekünstelt ihre Worte klangen.
Percy trug lediglich ausgefranste Jeans. »Wie hast du geschlafen?« fragte er höflich.
Sie zuckte nur die Schultern und wich einer direkten Antwort aus. »Ich wollte schwimmen gehen, ehe der Strand überfüllt ist.«
Er nahm ihr Gesicht in die Hände und sah sie prüfend an. »Du hast Ringe unter den Augen.« Mit der Fingerspitze berührte er die zarten Stellen unter ihren Augen. »So müde habe ich dich noch nie gesehen. Normalerweise wirkst du immer ausgeruht und quicklebendig. Jetzt siehst du blass und zerbrechlich aus, gar nicht mehr wie das Mädchen mit den Hängezöpfen, das sich mit jungen Burschen auf dem Sportplatz prügelt.«
Sie fühlte, wie ihr die Knie weich wurden, und wandte sich ab. »Ich glaube, die erste Nacht in einem fremden Bett ist immer etwas ungemütlich.«
»Du meinst, es hätte am Bett gelegen?« Er zog die Brauen hoch. »Du bist sehr großzügig, Nelly.«
Sein Lächeln wirkte auf sie wie ein Lebenselixier, und plötzlich fühlte sie sich nicht mehr so matt. »Percy, ich möchte … ich fände es schön, wenn wir Freunde sein könnten.«
»Freunde?« lächelte er vergnügt. »Ach, Nelly, du bist süß, wenn auch ein bisschen naiv.« Er ergriff ihre Hände und zog sie, eine nach der anderen, an seine Lippen. »Na schön, meine Freundin, dann lass uns schwimmen gehen.«
Außer Nelly und Percy hielten sich nur Möwen am Strand auf. Breit und einladend lag der weiße Sand vor ihnen. Die Luft versprach einen heißen Tag, und Nelly schaute sich beglückt um.
»Mir kommt es vor, als wären wir ganz allein auf der Welt.«
»Menschenmassen scheinen dir nicht zu liegen, Nelly.«
»Nein, ich glaube nicht.« Sie hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Ich mag Menschen, aber es muss ein persönlicher Kontakt bestehen. Ich möchte immer wissen, was sie von mir verlangen. Auf kleine Probleme verstehe ich mich gut. Ich kann hier einen Stein einmauern, dort einen Nagel einschlagen. Aber ich wäre nicht im Stande, ein Gebäude dieses Ausmaßes zu errichten, so wie du es tust.«
»Ohne Leute,
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