People Always Leave
einschlief.
Am Sonntag kam Lisa erneut zu Besuch, doch dieses Mal schmiss ich sie raus. Ich wollte Ruhe, bekam aber keine. Montag, als die Schule wieder begann und ich mich abends auf den Weg zur Abendschule machte, war ich noch voller Hoffnungen, denn mir ging es gut. Doch als ich ankam, spürte ich immer wieder diese seltsamen Stiche im Bauch. Ich begab mich in die Klasse, aber fragte schon nach wenigen Minuten, ob ich aufs Klo gehen dürfe. Natürlich gestattete man es mir, doch hielt ich es nicht mehr länger aus. Zurück in der Klasse, bat ich sofort: „Kann ich gehen? Mir geht es nicht besonders.“
„Dann pack deine Tasche“, meinte der Lehrer. Dies tat ich und ging zurück nach Hause. Mein Vater dachte natürlich sofort, dass ich einfach nur keinen Bock mehr auf die Schule hätte, was allerdings nicht stimmte. Schließlich hatte ich super Noten und obendrein auch noch jede Menge Freunde. Irgendwie wollte er aber nichts anderes glauben. Dad dachte nur an die vergangenen Zeiten, in denen ich gern mal der Schule fern geblieben war. Er konnte es nicht verstehen, da er nicht in meiner Situation war. Eine Weile saß ich im Wohnzimmer neben Hendrik, doch ich schien ihm total egal zu sein. Als es mir immer schlechter ging, schlich ich zurück in mein Zimmer und legte mich hin. Tagelang lag ich mit Herzrasen und Übelkeit im Bett. Machte nichts, außer mich mit meiner Spielekonsole zu beschäftigen.
Nathan stoppte und sah Dean vorsichtig an.
„Alles in Ordnung?“, fragte Dean voller Sorge. „Geht es dir nicht gut?“
Nathan schüttelte nachdenklich den Kopf. „Wenn ich mich an diese Spielekonsole erinnere, dann …“
„Was? Was meinst du?“
„Ich bekomme Angst“, zitterte Nathans Stimme.
Dean verstand nicht, weshalb. „Wieso? Schlechte Erinnerungen?“
„Als Kleinkind habe ich immer mit meinem Vater gezockt. Es war genau diese Konsole wie zu der Zeit, als es mir schlecht ging. Später spielte ich immer mit meinen Freunden … meinen ehemaligen Freunden …“
Nun verstand Dean endlich. „Die guten Zeiten schmerzen dich, weil du sie vermisst, richtig?“
„Ich weiß es nicht“, flüsterte Nathan. „Ich weiß es nicht.“
„Darf ich fragen, wann du das letzte Mal damit gespielt hast?“
„Im Herbst – kurz nach meinem dreiundzwanzigsten Geburtstag.“
Dean war überrascht, dass Nathan all die Daten so genau in seiner Erinnerung hatte. Am liebsten hätte er ihn in die Arme genommen und getröstet, doch er musste sich einfach zurückhalten – schließlich war er der Arzt, und er war sich noch nicht sicher, ob Nathan der war, für den er ihn hielt. „Was ist dann geschehen?“
„Hä?“
Dean fühlte sich leicht neben der Spur. „Lagst du wirklich tagelang im Bett und niemand hat sich für dein Wohlbefinden interessiert?“
„Ja, niemand …“, murmelte Nathan in Gedanken vertieft. Er blickte Dean erneut in die smaragdfarbenen Juwelen und hoffte rasch, dass der Attraktive die kleine Schwärmerei für ihn nicht mitbekam. Verstummt sah er schnell zum Fenster.
„Wenn du nicht willst, musst du nicht weitererzählen“, warf Dean ein.
„Ist schon in Ordnung“, lächelte Nathan. „Ich sterbe doch sowieso. So weiß wenigstens einer, was wirklich geschehen ist.“
Dean schloss bei den Worten kurz seine Augen, atmete tief ein und wieder aus. Er fuhr sich durchs Haar und sagte: „Ich werde wirklich alles versuchen, um dich zu retten.“
Nathan lächelte wieder. „Danke – aber das ist echt nicht mehr nötig. Ich will nicht mehr. Dennoch, danke.“
Dean schüttelte den Kopf. „Ich werde es nicht zulassen, dass du …“
„Auf jeden Fall …“, unterbrach Nathan ihn mit einem Blick zum Fenster, „lag ich eine Woche lang mit Herzrasen im Bett. Mir war jeden Tag übel.“
Ich wünschte, ich könnte dir helfen, dachte Dean und hörte ihm weiter zu.
„Ich erinnere mich an diesen Samstag“, erzählte Nathan leicht schockiert.
Ich lag auf meiner Schlafcouch und versuchte das Herzrasen und die Übelkeit zu akzeptieren, damit umzugehen, auch wenn ich nicht wusste, wieso ich mich so fühlte. Es war gegen zwanzig Uhr, als plötzlich ein wildfremder Mann in mein Zimmer kam und die Tür hinter sich schloss. Mein Vater hatte wie so oft eine Party gegeben und ein paar Leute eingeladen. Das war ich gewohnt, und es war ja auch nichts Verwerfliches daran, doch das, was dann kam, schockte mich total.
„Du bist Nathan, richtig?“, fragte mich dieser Fremde.
Angespannt stemmte
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