People Always Leave
so unverschämt gut aussehen?“, schäkerte er.
Grimmig sah Nathan ihn an.
„Das war ein Scherz“, erklärte Dean sofort. „Verstehst du? Ein Scherz.“ Doch Nathan sagte nichts. „Vergiss es! Was hasst du an Typen wie mir?“
„Genau das.“
Nun stutzte Dean. „Verstehe ich nicht.“
„Ihr haltet euch alle für so allwissend, so toll, so schlau – so unwiderstehlich.“
„Nun ja“, meinte Dean, „ich bin nicht allwissend … und unwiderstehlich … kommt darauf an, aus welchem Licht man mich sieht.“ Seine Mundwinkel gingen leicht nach oben. Er kratzte sich kurz an seinem Dreitagebart.
Genervt rollte Nathan mit den Augen.
„Hey“, lächelte Dean. „Komm schon. Lass uns wie zwei erwachsene Menschen miteinander reden.“
Nathan blickte nach unten, sagte wieder nichts.
„Was ist geschehen, Nathan?“
„Denk nicht, dass ich irgendetwas Privates über mich preisgeben werde“, stellte Nathan klar.
„Das verlange ich doch gar nicht. Ich versuche nur, dich zu verstehen, und das kann ich nicht, wenn du mir überhaupt nichts über dich erzählst.“
„Du hast doch sicherlich meine – ach so tolle – Krankenakte gelesen, also.“
„Was die anderen geschrieben haben, interessiert mich nicht.“
Nathan hatte sichtlich Probleme damit, die Fassung zu bewahren, denn in Deans Gegenwart fühlte er sich irgendwie wohl. Am liebsten hätte er ihm alles erzählt oder sich schluchzend an ihn gelehnt. Ja nicht anfangen zu heulen, dachte er und atmete tief durch.
„Mich würde es nur interessieren, wie es so weit kommen konnte“, rätselte Dean und winkelte sein Bein wieder an.
„Was willst du wissen?“, fragte Nathan und krampfte die Hände ineinander.
„Nur das, was du mir mitteilen möchtest – ja?“
Nathan kratzte sich am Kopf und blickte kurz nach oben.
„Und wenn du mir nichts erzählen willst, dann ist es auch okay.“
„Ich will das alles nicht mehr“, flüsterte Nathan. Er verstummte, versank in Gedanken und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen.
„Hey“, sagte Dean sanft und setzte sich etwas näher zu ihm. „Alles wird gut – versprochen.“
„Ich weiß echt nicht mehr, was ich noch tun soll“, begann Nathan zu erzählen. „Mein Leben … nichts ist mehr so, wie es einmal war. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und diese Tage ungeschehen machen.“ Unerwartet spürte er Deans Hand auf seinem Oberschenkel. Was er davon halten sollte, wusste er nicht.
„Ich war noch so jung.“
Gespannt hörte Dean ihm zu.
„Ich erinnere mich, als wäre es gerade einmal ein paar Tage her. Achtzehn Jahre war ich alt. Ich war allein zu Hause, als ich plötzlich ein heftiges Stechen in meinem Bauchraum verspürte. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mein Herz schlagen hörte. Es donnerte gegen meinen Brustkorb. Rasch setzte ich mich hin und begann am ganzen Leib zu zittern. Mir wurde mit einem Schlag so übel, dass ich zuerst dachte, ich sei eventuell unterzuckert. Hastig begab ich mich in die Küche und machte mir ein Brot mit fetter Wurst. Dazu ein Glas Cola. Ich trank es mit einem Satz leer und stopfte es mir in Sekundenschnelle ins Maul. Doch es wurde nicht besser – im Gegenteil. Mein Herz raste immer schneller. Noch nie zuvor hatte ich auf irgendeine Art und Weise Notiz von meinem Herzen genommen, bis zu diesem Tag. Vielleicht werde ich einfach nur krank, dachte ich und ging ruckartig zurück in mein Zimmer. Ich machte den Fernseher und das Licht aus. Kurz schloss ich meine Augen und begab mich dann prompt auf meine Schlafcouch. Durch die Matratze hindurch konnte ich mein Herz spüren, und es war alles andere als angenehm. Es dauerte allerdings nicht lange, bis ich einschlief.“
Es war spät in der Nacht, als ich mit einem Mal mit Luftnot aufwachte. Mein Herz raste aus unerklärlichen Gründen. Ich zitterte am ganzen Leib, schwitzte, und dennoch war mir kalt. Mir war übel, und nur langsam schaffte ich es, von der Couch aufzustehen. Als ich am Lichtschalter ankam, kam mir alles so unreal vor – als ob ich mich in einem Fieberzustand befinden würde. Mit zitternder Hand betätigte ich den Schalter. Es war viel zu grell. Schnell schloss ich meine Augen, und als ich sie wieder öffnete, blickte ich mich völlig verwirrt um. Was ist hier los?, fragte ich mich furchtsam und ging aus meinem Zimmer. Mein Vater und seine Frau waren noch nicht wieder von ihrer Feier zurück – dabei war es schon nach zwei Uhr morgens.
Langsam ging ich den Flur entlang
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