Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
mit der ersten Mannschaft gesehen hatte, wozu dieser Spieler fähig war, drängte er Piqué, sein Talent nicht zu vergeuden, und manchmal konnte man die Spannung in ihrem persönlichen Verhältnis förmlich spüren. Gerard ist Peps Schwäche, aber er wusste, dass der Spieler immer noch mehr leisten konnte.
Guardiola hatte in seiner letzten Saison nicht den Eindruck, dass Piqué die richtige Einstellung zeigte, und das war für ihn eine Quelle der Frustration. Der Spieler wiederum verstand nicht, warum er – zum Teil wegen einer Verletzung, zum Teil, weil der Trainer das so entschieden hatte – einmal sechs Spiele nacheinander nicht eingesetzt wurde (zu dieser Serie zählte auch ein Clásico), aber der Trainer wusste, dass dies nicht nur zum Nutzen der Gruppe geschah, sondern auch für Piqué selbst gut war. Der Innenverteidiger hatte das Gespür verloren, das man braucht, um bei Barcelona Stammspieler zu sein, das Gefühl, mit sich selbst und der Mannschaft im Reinen zu sein, wenn man die Umkleidekabine betrat. Zu viele Dinge waren für ihn selbstverständlich geworden. Er war mit dem Kopf nicht bei der Sache.
»Wenn jemand nicht sein Bestes gibt, dann vermute ich, dass vielleicht etwas im Privatleben nicht stimmt oder dass es irgendein anderes Problem gibt«, erklärt Guardiola. »Dann muss ich eingreifen. Wenn jemand dem Team nicht alles gibt, geschieht das nicht, weil diese Person böse oder unverschämt ist. In einem solchen Fall würde entweder der Spieler gehen oder ich selbst. Ich werde dafür bezahlt, diesen Spieler zu betreuen und dafür zu sorgen, dass er sich wieder erholt.« Wenn er das wert ist, möchte man hier hinzufügen.
Pep tat alles, was in seiner Macht stand, um Piqué wieder in die Spur zurückzubringen, und sagte ihm wiederholt, dass er, Piqué, nicht die richtigen Entscheidungen treffe. Es dauerte jedoch bis zum Ende von Peps letzter Saison, bis der Spieler tatsächlich verstand, was Pep gemeint hatte. Seine Leistungen bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine bestätigten, dass er die Lektion gelernt hatte.
Pep hat andere niñas de sus ojos (»Augensterne«, wie es im Spanischen heißt, oder, mit anderen Worten: Schwachpunkte), Javier Mascherano ist einer davon. Er tauschte einen Stammplatz beim FC Liverpool gegen einen Platz auf Barcelonas Bank, und um wieder zum Stammspieler zu werden, musste er sich zum Innenverteidiger umschulen lassen. »Was ich von Guardiola mitnehmen werde, sind Bewunderung und die Liebe zum eigenen Beruf«, räumt der Argentinier ein. »Jeden Tag zum Training zu gehen und sich an dem, was man tut, zu erfreuen. Er achtete darauf, dass ich während meiner ersten sechs Monate in Barcelona das Gefühl hatte, dass ich etwas lerne – obwohl ich nicht spielte. Ich erinnere mich, dass er mir einmal ein Basketballduell vorführte, um mir ein Beispiel zu geben, wie sich zwei Rivalen bei einem Spiel in den Haaren liegen können, und dass das über die kollektive Auseinandersetzung hinausgeht. Die individuelle Auseinandersetzung, die man führt, kann auch etwas Besonderes sein. Bei Guardiola lernt man ständig dazu. Deshalb ist er einer der besten Trainer der Welt, wenn nicht sogar der beste.«
Mit dem anhaltenden Erfolg wuchs natürlich auch die Legende, die Pep vorauseilte. Seine Aura nahm im selben Ausmaß zu wie die Trophäensammlung des Klubs. Für einige seiner Spieler sollte sich das als gravierender Hemmfaktor erweisen.
Fàbregas’ Heimkehr
Barcelona war für Außenstehende der Bezugspunkt des Weltfußballs. Aus der Innenperspektive arbeiteten die Spieler in einem System, das ihnen einen Trainer zur Verfügung stellte, der sie verstand. Einen Trainer, der ihnen sein Fachwissen über das Spiel und dessen Unzulänglichkeiten offenlegte, sein Charisma und seine Präferenzen, seine fußballerische Beobachtungsgabe und sein komplexes Denken. Für die Bar Ç a-Spieler war er ein Trainer, sogar ein sehr guter und ganz besonderer Trainer, aber zuallererst ein Trainer. Cesc Fàbregas kam nach Barcelona, um mit einer Legende zusammenzuarbeiten. Und nichts kann einen mehr schwächen als die Angst, vor dem Altar eines Gottes zu versagen.
Diese Verehrung begann schon früh. Noch als Jugendspieler erhielt Cesc ein Geschenk seines Vaters: ein Barcelona-Trikot mit dem Autogramm seines Kindheitsidols Pep Guardiola. Pep hatte den Jungen kaum spielen sehen, aber sein Bruder Pere berichtete ihm vom Talent des jungen Burschen. Cescs Idol schrieb: »Eines Tages wirst du
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