Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
schließlich auf das rein Berufliche, und der Ivorer fühlte sich an den Rand gedrängt, weil er nicht mehr an der Kuschelatmosphäre teilhatte, die Pep seinen loyalen Spielern bietet.
Ihm war schon bald klar, dass das emotionale Engagement, das Pep von seinen Spielern verlangt und das einen wichtigen Teil des Gruppenzusammenhalts ausmacht, ein Verfallsdatum hat: Die Zuneigung hielt nur so lange wie das Bestreben des Spielers, seine Vorstellungen zu teilen.
Gerard Piqué, der ewige Teenager
Pep erkannte die Notwendigkeit, zum Beispiel Thierry Henry als den Star zu behandeln, der er war – und tat das auch –, aber auch wie den Star, als der er behandelt werden wollte. Bei Gerard Piqué entwickelte sich die Beziehung in die entgegengesetzte Richtung. Pep nahm ihn unter seine Fittiche, brachte ihm Zuneigung entgegen und kümmerte sich um ihn vielleicht mehr als um jeden anderen Spieler in der Mannschaft. Doch diese Treue zu Piqué schuf letztlich eine Spannung, die während Peps letzter Saison in Barcelona zu einem der größten Probleme wurde.
Pep hatte zunächst gar nicht auf Piqués Verpflichtung gedrängt. Hinter diesem Transfer stand Tito Vilanova, sein Assistent, der in den Jugendmannschaften in La Masía Piqués Trainer gewesen war. Pep hatte auch kein Problem damit, diesen Sachverhalt im ersten Gespräch mit dem damals 21-jährigen ehemaligen Innenverteidiger von Manchester United einzuräumen, das er nach dessen Rückkehr nach Barcelona mit ihm führte: »Wenn du bei Barcelona einen Vertrag unterschreibst, geht das auf Tito Vilanova zurück. Ich habe dich nur ein paarmal spielen sehen und kenne dich gar nicht so gut, aber Tito hat großes Vertrauen zu dir.«
Vilanovas Vertrauen zu Piqué zeigte sich bei der Wahl der Innenverteidiger für das zweite Spiel in Peps erster Saison, bei dem Rafa Márquez verletzungsbedingt ausfiel und der ehemalige United-Spieler beim 1:1 gegen Racing Santander im Camp Nou eingesetzt wurde, einem Spiel, nach dem Barcelona mit einem von sechs möglichen Punkten dastand. Pep nahm Piqué am Tag nach dem Spiel im Training beiseite und sagte zu ihm: »Denk mal über das Tor nach, das eine, bei dem der Schuss zurückkam, du hättest aufrücken und die andern so ins Abseits stellen müssen. Sieh zu, dass du auf das Spiel in Lissabon gut vorbereitet bist.« Und Piqué dachte für sich: »Scheiße, Mann, dieser Typ glaubt tatsächlich an mich.« Aufgrund dieses enormen Vertrauens entwickelten die beiden eine besondere Beziehung zueinander.
Piqué war eigentlich als vierter Innenverteidiger verpflichtet worden (Márquez, Puyol und Cáceres kamen in der internen Hierarchie vor ihm, Gabriel Milito fiel wegen einer Verletzung für die ganze Saison aus), doch auf die Bewährungsprobe gegen Santander folgte gleich das erste Champions-League-Spiel gegen Sporting Lissabon. Puyol rückte auf die Position des linken Verteidigers, und Márquez und der neue Mann bildeten die Innenverteidigung. »Verdammt, er muss wirklich Vertrauen zu mir haben!« Piqué kratzte sich immer wieder verwundert am Kopf. Dieser Vertrauensschub trug ihn bis in den April des folgenden Jahres hinein, in dem er mit seinem Partner Márquez im Halbfinale der Champions League gegen Chelsea im Camp Nou im Abwehrzentrum stand. Márquez erlitt in diesem Spiel einen Bänderriss im Knie, Puyol wurde für ihn eingewechselt – und das war es. Puyol und Piqué bildeten ein Innenverteidiger-Paar, das jahrelang die erste Wahl blieb und mehr als 50 Spiele lang keine Niederlage zuließ.
»Meine Beziehung zu Pep ist anders als die Freundschaft, die ich mit meinen Kumpels pflege, weil das zwischen Spieler und Trainer nicht geht, aber sie ist eng«, erinnert sich Piqué. »Wir haben uns außerhalb des Trainings nur einmal zum Kaffee getroffen, um über Fußballangelegenheiten zu reden. Vor ein paar Jahren bat er mich nach dem Training zu einem Gespräch über die Mannschaft und meine Rolle in ihr. Wir trafen uns in einem Hotel in der Nähe des Trainingsgeländes, und Pep sagte zu mir: ›Komm, du kannst uns ein bisschen mehr geben.‹ Es hat das Gleiche auch mit ein paar anderen Spielern gemacht. Einmal auch mit Henry.«
Piqués Einblicke liefern einen Hinweis auf die Entwicklung ihrer Beziehung seit jenem Spiel gegen Racing Santander. Guardiola hat nicht viele Spieler öffentlich so gelobt wie Piqué, aber er hat die anderen Spieler auch nicht Tag für Tag so in die Pflicht genommen wie ihn. Nachdem Pep gleich in seinem ersten Jahr
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