Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
bieten, die MLS , die amerikanische Profifußballliga, kennenzulernen, ebenso ein weiteres Land, er könnte seine Sprachkenntnisse ausbauen und dem Geschehen in Barcelona aus der Distanz folgen, und das brauchte er. Aus dieser Distanz heraus würde er überlegen, was er als Nächstes tun wollte, sich für ein Team entscheiden, seine Ankunft in einem neuen Land, einer neuen Welt, einer neuen Kultur vorbereiten.
Und es würde ihm ermöglichen, an einem Restauranttisch zu sitzen und unerkannt zu speisen, so wie er das im September mit Alex Ferguson gehalten hatte. Er hörte damals dem Schotten zu, der ihm sagte, dass er, wofür er sich auch immer entscheiden mochte, nicht von Chelsea locken lassen solle, von einem Klub, dem es an allem fehlte: an einer Aura, einer Geschichte, aber am allermeisten an einer Vorstellung von der Zukunft.
Was Sir Alex nicht wusste: Schon vor dem privaten Essen, das die beiden Männer in New York genossen, hatte Guardiola nicht nur eine Reihe von Angeboten erhalten, er erwog bereits ernsthaft, eines davon anzunehmen. Bayern München legte zu diesem Zeitpunkt schon die Grundlagen für eine Übereinkunft, die sehr viel früher zustande kam, als der bayerische Klub es sich hätte vorstellen können.
Es begann mit der Niederlage gegen Chelsea im Endspiel der Champions League 2013 im eigenen Stadion, vor den eigenen Fans und gegen eine Mannschaft, die der Gastgeber für alt, defensiv und nicht imstande hielt, auch nur zwei Pässe nacheinander an den Mitspieler zu bringen. Die Bayern-Verantwortlichen empfanden das Ergebnis als erniedrigend, traumatisch und unbegreiflich. Warum hatten sie die Sache nicht zu Ende gebracht? Wie hatten sie dieses Endspiel verlieren können? Lag es am Pech, an der Taktik, an der Leistung einiger Spieler? Einige Finger zeigten auch auf den Sportdirektor Christian Nerlinger. Nerlinger war klar, dass er sich etwas einfallen lassen musste, um seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, und er entwickelte einen ebenso ehrgeizigen wie klugen Plan. Warum sollte er nicht Guardiola ansprechen und ihn zu überzeugen versuchen, sein Sabbatjahr zu verschieben, bevor es überhaupt begonnen hatte?
Das war keine ganz und gar spontane Entscheidung. Bereits im Juli 2011, als Guardiola mit dem FC Barcelona anlässlich des Audi Cup in München weilte, hatte der katalanische Trainer bei einer Zusammenkunft mit der Bayern-Führungsriege Uli Hoeneß zur allgemeinen Überraschung erklärt: »Ich kann mir vorstellen, für den FC Bayern zu arbeiten.«
Mit dieser Äußerung im Hinterkopf traf sich der Bayern-Sportdirektor im Mai 2012, nur wenige Wochen nachdem der erschöpfte Bar Ç a-Trainer seinen Abschied bekannt gegeben hatte, mit Peps Bruder Pere Guardiola. Das Gespräch drehte sich um Peps Zukunft, aber Nerlinger erhielt genau dieselbe Antwort wie alle anderen Aspiranten. »Wir unterhalten uns lieber in sechs Monaten wieder. Pep möchte sich nur ausruhen und hat uns gebeten, ihn während dieser Zeit nicht mit diversen Angeboten zu behelligen.«
Manuel Pellegrini, der aktuelle Trainer des FC Málaga und erfolgreiche ehemalige Trainer von Real Madrid und dem FC Villarreal, der mit San Lorenzo (2001) und River Plate (2003) auch zwei argentinische Meistertitel gewonnen hatte, war, nebenbei bemerkt, die zweite Wahl des FC Bayern, was schlüssiger ist, als manche Leute denken mögen. Guardiola hatte von Pellegrinis Villarreal-Team, das 2006 das Halbfinale der Champions League erreichte, eine Reihe taktischer Maßnahmen übernommen: die Laufwege der Flügelspieler und ein Defensivkonzept, das sich auf die Anordnung der Viererkette bezog. Der Chilene wie auch Pep gelten im europäischen Fußball als Trainer mit außergewöhnlichen Qualitäten, und zwar hinsichtlich der taktischen Brillanz wie auch hinsichtlich der Führung und Betreuung der Spieler.
Nerlingers mutiger Vorstoß reichte zwar für die Sicherung seines Arbeitsplatzes nicht aus, aber sein Nachfolger Matthias Sammer wurde über alle Einzelheiten des Gesprächs informiert und plante, der Sache weiter nachzugehen. Der FC Bayern erläuterte Pep im Sommer 2012 seine Pläne für die Zukunft mit ihm, legte ein definitives Angebot vor, und der Trainer entwickelte allmählich eine klare Vorstellung für das Projekt. In seinem Haus in Llavaneres empfing Guardiola die legendären Bayern-Größen Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Franz Beckenbauer. Pep berichtete von diesem Treffen nur seiner Frau, seinem Agenten und seinem Bruder. Die
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