Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
früher an seine Grenzen stoßen wird als diejenigen Spieler, die das, was sie tun, mit Freude tun. »Dass sie ihrer Arbeit wie Amateure nachgehen, macht sie zu etwas Besonderem«, sagt Pep. Aber er war es, der ihnen die Liebe zum Fußball wiedergab und ihnen half, diesen Amateurgeist zu entwickeln.
Der englische Mittelfeldspieler Jack Wilshere berichtete, dass Fabio Capello, damals Trainer der englischen Nationalmannschaft, einmal eine besondere Videobesprechung anbot: »Wir schauten uns Bar Ç a an und die Art, wie sie Pressing spielen.« Ähnliche Videos wurden Mannschaften der zweiten englischen Profiliga vorgeführt, der dritten und vierten Liga in England, Erst-, Zweit- und Drittligisten in aller Welt.
Das ist das große Erbe, das Pep uns hinterlassen hat. Aber es gibt auch kleine Erbteile.
Ein Dolmetscher fragte Guardiola zu Beginn der Pressekonferenz vor dem Hinspiel des Champions-League-Halbfinales gegen Roberto di Matteos Chelsea, ob er ihn nach dem Ende des offiziellen Teils kurz sprechen könne. Als alle Fragen beantwortet waren, dachte Pep nicht mehr an diese Bitte und verließ schnell den Raum. Der Dolmetscher, ein in London lebender junger Spanier, rannte ihm nach: »Haben Sie eine Minute Zeit?« »Ach ja, tut mir leid, ich hab’s vergessen.«
»Ich arbeite hier bei Chelsea als Trainer, Pep.« Und Guardiola hörte ihm zu, eine, zwei, sogar drei Minuten lang, sah ihn an, war aufmerksam. »Jetzt verstehe ich, warum du die taktischen Konzepte so gut übersetzt hast«, sagte Pep. Dieses Gespräch wird dem jungen Trainer ein Leben lang im Gedächtnis bleiben.
Das ist der Wert einer Minute, einer Geste.
Guardiola vermischte, wie Mascherano an jenem Abend sagte, die Arbeit mit Gefühlen. Er wollte die unbeschreibliche Freude vermitteln, die man empfindet, wenn man den Ball streichelt. Außerhalb Kataloniens wurde Guardiola als eine Persönlichkeit gesehen, die dem Spiel, das stagnierte und seelenlos geworden war, neues Leben einhauchte.
An seinem letzten Arbeitstag in seinem Büro im Camp Nou stellte Pep Guardiola ein paar persönliche Dinge zusammen, die sich dort im Lauf von über vier Jahren angesammelt hatten. An diesem Ort erlebte er bei so vielen Gelegenheiten jenen magischen Moment, dort analysierte er so viele Videoaufzeichnungen und überlegte sich die Worte, die er vor der versammelten Presse sagen wollte.
Laptop, Bücher, CD s, Fotos von Maria, Màrius, Valentina, Cristina, alles kam in Kartons. Sollte er die hölzerne Tischlampe zurücklassen, die Papierlampe neben dem Sofa, den Teppich?
Als der letzte Gegenstand in den Karton wanderte, dachte er: »Wir haben viele Leute glücklich gemacht.«
Und noch eine Erinnerung: Sein Sohn Màrius, der am Tag seines Abschieds im Camp Nou im Betreuungsbereich seine Gesten nachahmte, als das Publikum schon auf dem Nachhauseweg war und Pep ihn von der Bank aus beobachtete – ein Arm ausgestreckt, die Hände auf dem kleinen Gesicht, unverständliche Anweisungen für einen imaginären Angriff rufend und mit ähnlicher Beredsamkeit ein Fantasietor feiernd. Wenn der eigene Sohn eines Tages irgendjemanden aus der Fußballwelt nachahmt – und das wird er –, ist Pep Guardiola kein schlechter Ausgangspunkt.
»Es war ein echtes Privileg, von dir trainiert zu werden. Und das ist so uneingeschränkt wahr« – Andrés Iniesta.
8 Die Geschichte geht weiter
München, fern der Heimat
Drei Monate nach seiner öffentlichen Ankündigung, dass er eine Ruhepause brauche und der Ansicht sei, er könne in Barcelona keine weiteren Entscheidungen mehr treffen, traf sich Guardiola mit einem guten Freund zum Essen, bei dem sie über Fußball sprachen – über was denn sonst! Pep hatte einen Gedanken, den er, kaum dass er saß, weiter ausführte. Sein Freund konnte es kaum glauben – oder vielleicht doch? Es war ein Augenblick, in dem Guardiola ganz bei sich selbst war. »Was würdest du denken, wenn ich eines der Angebote, die ich erhalten habe, annehmen und wieder eine Mannschaft trainieren würde?«, fragte er. »Aber hast du nicht gesagt, du seist müde, wolltest mehr Zeit für die Familie haben und Abstand zum ganzen Geschehen gewinnen?«
Und so geschah es dann auch, aber Ende November, als er durch den weitläufigen New Yorker Central Park spazierte, fragte er sich abermals: »Was tue ich hier?« Ganz und gar einleuchtende Antworten kamen ihm in den Sinn. Dieses Jahr konnte er den Menschen widmen, die ihm am nächsten standen. Es würde ihm die Gelegenheit
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