Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
in der Schublade und kehrte mit einem Notizbuch zurück. Dort hatte er sich interessante Tätowierungen notiert.
»Was steht da, Pepiño?«
»
Ah, Dieu, que la guerre est jolie
Avec ses chants, ses longs loisirs
.«
»Das ist es! Er sagte, es sei von einem berühmten Dichter.«
Carvalho bat ihn um die Adresse des Tätowierers, der beim Ciutadella-Park wohnte. Der Alte zeichnete ihm den Weg auf. Die Hausnummer wußte er nicht mehr.
»Du kannst es nicht verfehlen. Außerdem ist er ein auffallender Mann, er hinkt und ist über hundert Kilo schwer.«
Carvalho kürzte die umständliche Verabschiedung des Alten ab, so gut es ging.
»Sag mir, wann du Zeit hast, dann bereite ich einen galicischen Vorderschinken für dich vor! Mein Schwager schickt ihn mir immer aus Pacios. Ich bewahre ihn auf, und du bereitest ihn zu, Pepiño. Wenn ich doch auch so gut kochen könnte wie du!«
Vorn auf den Ramblas hielt er ein Taxi an, und zehn Minuten später stand er vor dem Eingang des Hauses, das ihm der alte Tourón beschrieben hatte. Im vierten Stockwerk öffnete ihm eine verärgerte, überarbeitete Frau und führte ihn in ein kleines Vorzimmer, wo sich Carvalho zwischen einen schwarzen Plastiksessel mit Polsternägeln und ein Tischchen voller Zeitschriften zwängen musste, um Platz zu finden. Nach kurzer Zeit machte der ungeheure Bauch des Tätowierers den Versuch, sich in das Kabuff zu drängen. Sein Kopf war noch draußen vor dem Türrahmen, während sein Bauch sich schon beinahe an Carvalhos Nase rieb.
»Ich komme von Don Evaristo Tourón!«
»Hombre! Das ist in Ordnung.«
»Ich möchte mich mit Ihnen über Ihre Kunst unterhalten.«
»Das ist in Ordnung, sehr gut.«
Der Tätowierer verließ den Raum und winkte Carvalho, ihm zu folgen. Er führte ihn in ein Schreibzimmerchen, das ihn an Don Ramóns Büro im Friseurgeschäft erinnerte. Der Tätowierer setzte sich hinter den Tisch und bot ihm eine Rössli an.
»Etwas mildes, genau das richtige zu dieser Morgenstunde. Über die Kunst wollen Sie mit mir sprechen. Das ist gut, sehr gut. Aber mit der Kunst steht es schlecht, sehr schlecht. Ich habe keinen Strich getan, seit das italienische Schiff hier war, vor etwa einem halben Jahr. Was gut ist, stirbt aus. Heutzutage haben die Menschen für nichts mehr Zeit. Früher brauchte man den Frauen nur eine Tätowierung zu zeigen, und schon war die Sache geritzt. Heute wollen sie gleich noch was anderes sehen!«
Er lachte rauh und abgehackt. Carvalho stimmte halbherzig mit ein.
»Ich bin auf der Suche nach einem Mann mit einer sehr merkwürdigen Tätowierung. Sie lautet: ›Ich bin geboren, das Inferno aus den Angeln zu heben‹.«
Das sorglose Lachen brach unvermittelt ab. Der Tätowierer starrte Carvalho an.
»Sie sind also ein Freund von Don Evaristo?«
»Wir sind Landsleute.«
»Galicier, sieh mal an!« rief der Mann aus Murcia aus, ohne übertriebene Begeisterung zu zeigen. Er musterte Carvalho und wiegte den Kopf hin und her, als sei er in einem ernsten Dilemma.
»Verflixte Tätowierung«, sagte er dann. »Die Polizei hat mich auch schon danach gefragt.«
Er sprach, ohne seinen prüfenden Blick von Carvalho abzuwenden. Carvalho hielt ihm stand.
»Die Polizei?«
»Der Träger der Tätowierung ist tot. Er hat ein böses Ende genommen.«
»Haben Sie die Tätowierung ausgeführt?«
»Die Polizei sagte mir, ich soll niemandem darüber Auskunft geben, ohne sie zu benachrichtigen.«
»Sollen Sie vorher oder nachher Bescheid sagen?«
»Das haben sie nicht gesagt.«
»Also können Sie denen Bescheid sagen, nachdem Sie mir die Auskunft gegeben haben.«
»Die Tätowierung ist von mir.«
Er war sich bewußt, daß er mit seinen Worten eine Tür aufgestoßen hatte.
»Wer war er?«
»Man sieht, Sie kennen sich in unserem Metier nicht aus. Hier nennt keiner einen Namen, schon gar nicht bei so einer einfachen Tätowierung.«
»Aber Sie müssen doch während der Arbeit über irgend etwas geredet haben.«
»Bei der Arbeit trinke ich nicht und spreche nicht.«
Er lachte wieder mit beeindruckender Heiserkeit. Sein Lachen brach so abrupt ab, wie es begonnen hatte. Plötzlich wurde er todernst und fragte aufmerksam: »Suchen Sie ein geliebtes Wesen?«
»Sagen wir, er wächst mir immer mehr ans Herz.«
»Ach! Ich bin nicht mehr so lebenslustig wie früher. Es ist ein hartes Brot. Man verdient kaum genug, um sein Leben fristen zu können, und muß Preise machen, die einem die letzten Kunden vertreiben.«
»Und Reden nutzt
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