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Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche

Titel: Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vazquez Montalban
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kochen. Alles zu seiner Zeit. Wenn es klappt, mache ich es mir später, als Betthupferl.«
    Charo wandte sich an ihre Freundin. »Siehst du? Er meint das ernst! Das hättest du nicht gedacht, wie? Der Kerl ist imstande und fängt um vier Uhr morgens an zu kochen!«
    Charo betrachtete Carvalho, wie man ein geliebtes Kind betrachtet, das die monströse Unart besessen hat, mit zwei Köpfen zur Welt zu kommen. Dafür lachte La Andaluza so sehr, daß man ihre beiden Goldzähne sehen konnte.
    »Ich finde es hier bezaubernd!« sagte sie, als würde sie in einem Fernsehfilm auftreten.
    Carvalho hegte jedoch einen gewissen Widerwillen gegen diesen Ort, vor allem, weil er mit Möbeln aus der Zeit Philipps II. bestückt war, die ein paar hundert Meter weiter in Sant Cugat hergestellt wurden. Die Spezialitäten des Hauses beruhigten ihn auch nicht gerade: geröstetes Tomatenweißbrot, Bohnen mit Blutwurst, Fleisch vom Grill und Kaninchen mit Aioli. Im Laufe der letzten zehn Jahre waren in Katalonien zigtausend Lokale neu aufgemacht worden, alle mit dem Anspruch, dem Gast die Wunder der rustikalen katalanischen Küche nahezubringen. Aber in der Stunde der Wahrheit erwies sich das Tomatenweißbrot – eigentlich ein phantastisches Wunderwerk, das an Einfachheit und Wohlgeschmack die Tomatenpizza weit in den Schatten stellt – lediglich als ein feuchter, schlecht durchgebackener Mehlteig, der mit Tomatenpüree aus der Dose vollends aufgeweicht wurde. Und was die Aioli anging, so war diese normalerweise ohne Geduld im Handgelenk und mit der französischen oder mallorquinischen Unsitte, ein Eigelb hineinzuschlagen, hergestellt und daher so gelb, daß sie sich besser zur Temperamalerei eignete. Carvalho war über sich selbst erstaunt, als er feststellte, daß er seinen gebannt lauschenden Begleiterinnen einen Vortrag über die gastronomischen Ursprünge der Menschheit hielt. Es war nicht der Ausruf von La Andaluza
»Madre mía
, was dieser Mann alles weiß«, der ihm die Rolle bewußt machte, die er da spielte, sondern das Wort ›
koinē
‹, das von seinen eigenen Lippen kam, ein Begriff, der für den gemeinsamen Ursprung einiger Gerichte gebraucht wird.
    »Genauso wie es eine linguistische
koinē
gibt und wir das Indoeuropäische als den gemeinsamen Ursprung der arischen Sprachen definieren können, gibt es offensichtlich eine gastronomische
koinē
, und einer der wissenschaftlichen Beweise dafür ist das Tomatenweißbrot. Es ist verwandt mit der Pizza, aber dieser an Einfachheit weit überlegen. Das Mehl in der Pizza muß erst gebacken werden, das Tomatenweißbrot dagegen besteht nur aus Weißbrot und Tomaten, ein wenig Salz und Öl.«
    »Und schmeckt phantastisch«, fiel La Andaluza ein, begeistert von den Mysterien, die Carvalho ihr offenbarte. »Es erfrischt und sättigt. Und es hat einen hohen Nährwert. Das sagte Doktor Cardelus, als ich mit meinem Sohn zu ihm kam, weil er ein bißchen blutarm war. Geben Sie ihm dicke Scheiben Weißbrot mit Tomaten und Petersilie. Ein wahres Wunder. Jetzt ist der Junge zur Erholung auf einem Bauernhof in Gavá, und ich sage den Leuten immer, sie sollen ihm vor allem Tomatenweißbrot geben, viel Tomatenweißbrot.«
    Es ärgerte Carvalho, daß das wissenschaftliche Niveau des Gesprächs derart gesenkt wurde. Aber schon kam das Brett mit dem Tomatenweißbrot. Ein unauffälliges
pan con tomate
, nicht einmal würdig, in das Buch
Carmencita oder die gute Köchin
aufgenommen zu werden. Die beiden Frauen warteten gespannt auf Carvalhos Urteil, während er den ersten Bissen mit der Zunge gegen den Gaumen drückte, um den Geschmack des Brots, den Frischegrad der Tomate und die Qualität des Olivenöls zu beurteilen.
    »Das Salz war ein wenig zu feucht. Aber es ist in Ordnung.«
    »
Madre mía
! Gibt es etwas, was dieser Mann nicht weiß?«
    Charo kannte schon alle Glanznummern von Carvalho und war nicht bereit, mit dieser Speichelleckerin gemeinsame Sache zu machen. Außerdem war sie noch immer etwas verärgert über die Wahl des Ortes.
    »Also, mir schmeckt es. Außerdem habe ich Hunger. Daß du auch immer an allem etwas auszusetzen hast! Man merkt, daß du nicht weißt, was Hunger ist!«
    »Hunger, das ist das schlimmste,
madre mía

    La Andaluza sprang auf alle Züge auf, die an ihrer Phantasie vorüberfuhren. Ihre kleinen Lippen glänzten fettig. Sie verzehrte die gebratenen Rippchen mit einer Aufmerksamkeit, die Carvalho sehr gefiel. Man brachte ihnen einen Rosé, der etwas lieblich war, aber

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