Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
außen zeigte. Er würde Charo heiraten, aber erst, wenn sie beide alt wären.
»Sehr alt«, entfuhr es ihm laut.
Zwei Tassen Kaffee pro Person stellten den geschäftsmäßigen Charakter der Situation wieder her. Es war eine heiße, sternenklare Nacht. Sie traten auf die Plaza del Monasterio hinaus und gingen spazieren, während La Andaluza erzählte, was sie gesehen hatte. Pepe ging in der Mitte, hatte die Ärmel hochgekrempelt und die Arme um die Schultern der beiden Frauen gelegt.
»Da sind die vier Mädchen und Queta. Der Mann sitzt immer oben in seiner Kammer. Manchmal kommt er runter und geht in die Bar an der Ecke, um was zu trinken. Manchmal schickt er auch La Gorda, und sie bringt es ihm rauf. Die vier Mädchen sind sehr jung und sehr nett. La Gorda ist als letzte dazugekommen, aber – Achtung! – sie hat fast mehr zu sagen als Queta selbst. La Gorda ist sehr eigen. Die andern kommen um neun und arbeiten, bis alles fertig ist. Na ja, bis neun bleibt keine, außer samstags, da müssen sie manchmal bis um zehn Uhr arbeiten, bei verschlossener Tür. Zwei Mädchen wohnen zusammen, sie sind Schwestern, aus Andalusien. Aber echte Andalusierinnen, Pepe! Sie sind fleißig, beide haben schon in Jaén als Friseurin gearbeitet. Queta ist geduldig und bringt ihnen alles bei. Sie sind nicht die hellsten, aber allmählich lernen sie etwas. Das dritte Mädchen hat einen richtigen Verlobten, er kommt jeden Tag und holt sie ab, manchmal muß er stundenlang in der Bar warten, bis sie Feierabend hat. Sie ist eine Katalanin aus Barceloneta. Ihr Vater und ihre Brüder arbeiten im Hafen. La Gorda ist die einzige, die zum Essen im Laden bleibt, weil sie für Queta den Einkauf macht und ab und zu auch mal kocht. Sie geht immer um Punkt acht Uhr, weil sie in Badalona wohnt und ihr Bruder sie mit dem Lieferwagen abholt.«
»Ist der Bruder Fahrer?«
»Nein, sie haben einen Familienbetrieb. Sie verkaufen eingesalzenen und tiefgefrorenen Fisch in Badalona. Der Vater hat früher Schiffe kalfatert, aber er bekam eine böse Augenkrankheit und konnte die Farbe nicht mehr vertragen, auch keinen Sägestaub und überhaupt nichts, was zu dem Handwerk gehört. Stell dir vor, jetzt muß er in seinem Laden den Fischgestank aushalten.«
»Wie versteht sich Queta mit den Mädchen?«
»Gut. Nur mit La Gorda gibt es ab und zu Machtkämpfe, weil das Mädchen meint, sie sei etwas Besseres. Der Chef hält große Stücke auf sie. Das merkt man. Er braucht manchmal Sachen, die ihm eigentlich Queta bringen müßte. Statt dessen drängt sich diese Zicke immer vor und bringt sie ihm. Der Queta stinkt das, das merkt man.« Dabei zeigte sie auf ihre Nase. »Aber sie hat das Herz auf dem rechten Fleck. So wie sie aussieht, mit dieser Figur, denkt man, sie will die ganze Welt auffressen, aber sie hat das Herz auf dem rechten Fleck.«
»Was hat sie denn für eine Figur?«
»Das brauchst du ihm gar nicht zu erzählen, Andaluza, sonst kommt gleich seine Phantasie in Schwung!«
»Aber hast du mit uns beiden nicht genug, Pepe?«
»Was soll das heißen? Du kriegst es gleich mit mir zu tun!«
Pepe drückte den Hühnern die Hälse zu und unterband die Abschweifungen.
»Was erzählt man denn über die Beziehung zwischen Señor Ramón und Queta?«
»Also, er war verheiratet, glücklich verheiratet. Die Kinder von seiner Ehefrau sind erwachsen. Queta war die Maniküre seiner Frau, und die beiden fingen was miteinander an. Es wurde mehr daraus, und am Ende verließ er Frau und Kinder. Er hat Queta den Friseursalon gekauft und wohnt seitdem auch selber dort. Er hockt dauernd oben in seiner Kammer über der Buchführung. Man hört keine Geschichten über die beiden. Er ist schon älter, er muß auf die Sechzig zugehen. Queta ist gerade vierzig geworden und hat noch eine tolle Figur. Hast du nicht nach Quetas Figur gefragt? Also, wie ein junges Mädchen! Sie hat sich sehr gut gehalten. Ja, wenn man keine Kinder zur Welt bringt und keine großzieht, das macht was aus. Außerdem sind sie seit zwanzig Jahren zusammen, das macht auch etwas aus. Seit fünfzehn Jahren wohnen sie zusammen. Er war damals im zweiten Frühling und sie noch ein junges Mädchen. Aber heute … Eine Frau hat ihre Bedürfnisse, meinst du nicht auch?«
»Klar. Und Señor Ramón, bekommt er keinen Besuch? Kommt niemand zu ihm?«
»Doch, Vertreter für Parfümerie- und Friseurbedarf. Diesen Teil des Geschäfts macht er. Schlecht kann es ihnen dabei nicht gehen, denn Queta erzählte mir, sie
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