Pepe Carvalho 01 - Carvalho und die taetowierte Leiche
hätten sich ein Grundstück bei Mollet gekauft, in einer sehr guten Lage, weil dort die Fabriken hinkommen sollen. Die sollen alle dorthinaus verlegt werden, weil sie hier in der Stadt die Luft verpesten. Man muß ja in Barcelona wirklich bald mit einer Gasmaske herumlaufen. Holt mal tief Luft hier! Hier ist es wunderbar. Kommt mit, ich lade euch zu einer
horchata
ein!«
Sie tranken eine Erdmandelmilch vor einem zweirädrigen Karren, der mit bunten Glühbirnen, rotgelben Girlanden und blauen Papierfähnchen verziert war. Der Verkäufer war ganz in Weiß gekleidet, mit einem Navyschiffchen auf dem Kopf und einem getüpfelten Tuch um den Hals. Er verschlang die Frauen mit seinen Blicken, hörte aber sofort damit auf, als er Carvalhos Blick begegnete. Die Frauen kicherten über irgend etwas und stießen sich gegenseitig an. Carvalho wahrte eine gewisse innere Distanz und genoß die
horchata
mit dem zerstoßenen Eis, dessen tausend kühle kleine cremige Kristalle seine Kehle erfrischte.
»Hör mal, Andaluza, wieso hat La Gorda die ganzen Privilegien bekommen?«
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Wieso La Gorda in dem Laden soviel zu sagen hat. Sie ist doch höchstens siebzehn!«
»Fünfzehn, aber weil sie dick ist wie eine Kuh, sieht sie weiblicher aus. Die hat hier schon mehr als ich.« Dabei wog sie ihre Brüste mit den Händen. »Tja, ich weiß nicht so recht. Ich glaube, ihr Vater und Señor Ramón kennen sich von früher. Das ist es. Ihr Vater hat sie in das Friseurgeschäft gebracht, als sie noch fast ein kleines Mädchen war. Sie will noch drei Jahre bleiben und dann einen eigenen Salon in Badalona aufmachen. Die weiß, was sie will! Stell dir vor, sie hat es sogar geschafft, daß der Chef ihr Montag nachmittags freigibt, damit sie dort hingehen kann, wo die Starfriseure ihre Modelle für die Leute vom Fach frisieren, weil man so am besten lernt. Friseurinnen aus ganz Katalonien kommen dorthin, auch Lehrlinge und Gesellen aus der Stadt. Stell dir vor, die beiden aus Andalusien wollten auch dorthin, sie wollten dafür sogar auf einen Teil ihres Lohns verzichten und sich jede Woche abwechseln, aber er gab ihnen nicht frei. Aber La Gorda, die hat es geschafft. Sie geht jeden Montag hin, und er zieht ihr nicht mal was vom Lohn ab. Ich glaube, Queta ärgert sich schwarz darüber, und das mit Recht!«
Sie gingen zu den Autos zurück. La Andaluza bedrängte Charo, ihr das Auto zu überlassen, damit Charo mit Pepe nach Hause fahren könne.
»Ich fahre nur bis zum Parkplatz und stelle es dort ab. Gib mir den Schlüssel, ich fahre es für dich nach Hause.«
»Nein, nein. Pepe will doch gar nicht, daß ich komme. Und ich selbst auch nicht.«
»Hast du Lust, Pepe?«
Carvalho zuckte die Achseln.
»Du läßt mir das Auto, Charo, und bleibst bei dem Mann, der gibt dir ein Betthupferl!«
Die beiden Frauen lachten. Carvalho erwog die Möglichkeit, jetzt die Cappelletti zu machen. Er wollte sie nicht so lange im Kühlschrank aufbewahren, damit sie nicht zu trocken würden, aber andererseits hatte er keine Lust, sich zu dieser vorgerückten Stunde an den Herd zu stellen.
»Ich gebe dir das Auto nicht.«
»Mir macht es wirklich nichts aus, es für dich nach Hause zu fahren.«
»Mir schon.«
»Glaubst du, ich kann nicht Auto fahren?«
»Kann schon sein.«
»Hast du Worte? Die gibt dir ihre Wohnung und ihren Kühlschrank, aber das Auto nicht. Hör mal, Charo, du bist doch nicht so blöd wie die Männer, die aus Prinzip ihren Füller, ihre Frau und ihren Fiat nicht verleihen!«
»Doch, ich bin so blöd!«
»Also, du gibst mir das Auto nicht?«
»Nein.«
»Deinen Füller?«
»Hab keinen.«
»Und Pepiño?«
»Den schon gar nicht!«
La Andaluza wandte sich an Pepe und schielte wieder fürchterlich.
»Eine richtige Spießerin, die Alte!«
Bromuro fand in den Tageszeitungen die Bestätigung all seiner Ahnungen hinsichtlich der Lebensmittel. Die Besorgnis von Ökologen und Konsumenten besaß in ihm seit langem einen wackeren Propheten, dem leider die Anerkennung durch neuere, höher gebildete Theoretiker versagt blieb. Der Schuhputzer beschränkte sich nicht mehr darauf, den Füßen seiner Kunden von der antierotischen Verschwörung des aufgelösten Bromsalzes im Trinkwasser, in den Erfrischungsgetränken und im Industriebrot zu berichten.
»Riechen Sie nichts?«
»Doch, Schuhcreme.«
»Ihr Wort in Gottes Ohr! Der Geruch von Schuhcreme ist gesund. Ich hab’ ihn mein Leben lang eingeatmet, und es hat mir
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