Per Anhalter (German Edition)
mit diesen verflixten Kellerasseln. Sie waren aus der Matratze gekommen.
Die Matratze hatte vorher wohl mal draußen gelegen und dadurch waren die winzigen Schädlinge in sie hinein gekrochen.
Es war alles gut, wirklich. Hauptsache sie entfernten diese Parasiten, die inzwischen seinen ganzen Körper befallen hatten. Sie hinderten ihn am Fortschweben.
Und das Schlimmste an der ganzen Geschichte war, dass sie begannen, sich an ihm zu laben. Sie bohrten sich in ihn hinein wie Regenwürmer ins Erdreich. Sie wollten sein Fleisch, oder einfach eine feuchtwarme und geschützte Unterkunft.
Warum unternahmen sie nichts? Wie konnten sie einfach so um ihn herum stehen und nichts unternehmen, mit ihren Riesenköpfen und den auseinander gezogenen langen Gliedmaßen. Der Schmerz in Davids rechtem Oberarm war nur noch ein Kribbeln.
Ein Kribbeln, das dort besonders stark war.
Vielleicht war dort der Haupteingang für die Kellerasseln.
Und wer wusste schon, was noch alles kam. Kellerasseln lebten für gewöhnlich unter Steinen, in der Erde, oder halt in Kelleraufgängen. Aber dort lebten auch andere, ekelerregende Geschöpfe. Ohrkneifer zum Beispiel, oder feuerrote Tausendfüßler, die wie eine dänische Süßspeise aussahen. Fette, riesige Spinnen mit Beinen, die endlos lang waren. Er wollte sie nicht auf sich haben. All diese fürchterlichen Viecher.
Sie sollten verschwinden, ihn in Ruhe lassen. Dann erschien Licht, und etwas schemenhaftes daraus rief ihm zu, er solle sich fallen lassen.
Da war Lena. Und seine Mutter.
Und er fuhr in einem Zug. Er hört das schleifende Geräusch von Zugbremsen, spürte die Vibrationen der Schienen unter sich.
Jemand rief ihm etwas zu.
Dort vorne war der Sportplatz der Schule. Heiko Selentis und Christoph Brandau standen da. Christoph rotzte lässig auf den Boden und hielt eine Kippe in der Hand. Er nickte ihm lässig zu. Christoph rotzte immer auf den Boden. Das fand er total klasse!
Dennis ließ einen Basketball „dunken“, wie er immer so schön sagte. Er ging auf sie zu, doch er schien sie nicht zu erreichen.
Auch nicht in hunderttausend Jahren. Sie standen außerdem hinter einem riesigen Maschendrahtzaun. Und sie blickten ihn verächtlich an, so als ob er ein Leprakranker wäre, der irgendetwas Unheimliches im Schilde führte. Ich bin es doch, David. Erkennt ihr mich denn nicht? Heiko? Christoph… Und dann war da wieder der Tunnel. Geratter unter ihm vom Zug. Und dann… dann war nichts mehr. Dann gingen die Lichter aus.
***
Ein Unwetter tobte über dem flachen Land. Blitze zuckten am Himmel, starker Regen versorgte die ausgedörrten Böden und spülte trockenen Staub von Autos, Fensterscheiben und Fassaden. Der Sturm vertrieb die angestaute dicke Luft im Land. All um roch es nach frischem Humus, nach feuchtem Gras und süßlicher Natur. An jenem Ort, wo zuvor die beiden Wohnwagen waren, gab es nur noch Schlammpfützen, die in tiefen Spurrinnen standen. Einzig und allein der Holzstapel war übriggeblieben.
Ein Liegenbleibsel, wie eine halbvolle Shampoo-Flasche in einem Hotel.
Irgendwo, durch die Nacht unkenntlich gemacht, befanden sich auch im Boden eingetretene Zigarettenkippen. Aber ansonsten erinnerte hier nichts an die Anwesenheit irgendwelcher Menschen.
Wenn, so schien es, waren sie schon vor einer Ewigkeit aufgebrochen.
Polizisten suchten das Gebiet ab, bis der Morgen graute und das Unwetter abklang. Frühmorgens schließlich, entdeckten sie eine Öllache im Gras, an genau der Stelle, wo Uwes Fiat gestanden hatte.
Sie entdeckten Lasses Versteck, sein zurückgelassenes Papier, die Dosen.
Gegen fünf Uhr früh fand man die Überreste von Davids Mobiltelefon.
Die aufkommende Sommersonne ließ die Pfützen allmählich auftrocknen.
Man fand Kippen im Boden. Kippen und Jointreste.
Der Förster hatte also keinen Mist erzählt.
Jemand war hier, jemand hatte hier gehaust .
Es gab Spuren, wenn auch wenige.
Wie es aussah, waren diese Leute Profis. Sie machten es nicht zum ersten Mal. Sie kannten so etwas schon.
Die Presse musste vor dem Wald warten. Ihr wurde der Zutritt bis auf Weiteres untersagt.
Es hatte einen Mord gegeben in dem kleinen Ort. Einen Mord an einem Polizisten, ausgeübt von Wilden, vielleicht von Zigeunern. Die Gerüchteküche brodelte.
Die Bewohner telefonierten untereinander, tauschten Informationen aus, die zum Großteil frei erfunden waren. Es war, als hätte noch niemand recht realisiert, was hier geschehen war.
Ihr Dorf, ihre
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