Per Anhalter (German Edition)
irgendwo versteckt hältst, ist überhaupt nichts deine Schuld.“,
„Tu ich nicht, Sie können gerne nachsehen.“,
„Also gut, wenn du uns rein lässt und wir kurz nach schauen könnten, das wäre nett.“,
„Ja, klar!“
Die beiden Polizisten traten ein.
Sie roch den intensiven Geruch ihrer Lederjacken als sie an ihr vorbeigingen, und studierte eingehend die Revolver, die unter ihren Uniformen hervor lugten.
Der jüngere der beiden zupfte an der Antenne seines Funkgerätes herum, welches er in seiner Brusttasche verstaut hatte. Noch nie zuvor war ihr ein Polizist so nah gekommen, und sie war ehrlich gesagt auch nicht versessen darauf, es so schnell noch einmal zu erleben.
Was wohl alles in so einer Uniform drin stecken mochte, mal abgesehen von Revolvern und Schlagstöckern und Funkgeräten? Überall waren Taschen angenäht. Flüchtig erblickte sie den Griff einer Taschenlampe, und der sichelförmige schwarze Halfter beherbergte ganz sicher ein Messer. Der bloße Anblick all dieser Dinge rief bei ihr Ehrfurcht hervor. Ehrfurcht und Respekt.
Dabei waren sie nur zwei stinknormale Männer, die ihrer Arbeit nachgingen, wie jeder andere berufstätige Mensch auf der Welt es auch tat.
Aber normale Menschen tragen keine Waffen bei sich und marschieren in fremde Wohnungen… sie dürfen auch nicht all das tun, was die Polizei tun darf. Und Polizisten durften – nach Lenas Auffassung – alles tun, was sie tun wollten.
Sie brauchten normalerweise wohl nicht einmal fragen, ob sie sie in die Wohnung lassen wollte. Wenn sie hier rein mussten, dann kamen sie herein, so oder so. Für sie war das gar keine Frage.
Sie hatte von Kindheit an gelernt, die Polizei zu achten, und das tat sie auch. Einige aus ihrer Klasse behaupteten zwar, sie hätten keinen Respekt vor den Bullen, oder dass die Polizei nur ein Haufen Waschlappen sei, aber sie war sich sicher, dass jeder von denen (es waren Jungs, die das behaupteten) sich vor Angst in die Hose machen würde, wenn die Polizei plötzlich vor ihnen stand.
Große Klappe, nichts dahinter. So war das halt mit Jungs.
Die Fußbodendielen knarrten unter ihren schweren Stiefeln. Der ältere der beiden hielt inne und fragte, „Ist das hier dein Zimmer, Lena? Darf ich überhaupt Lena zu dir sagen, oder bevorzugst du Frau Jürgensen ?“ Sie wusste, dass er das nur deshalb fragte, weil er ihre Anspannung spürte und glaubte, damit alles etwas lockerer zu machen. Das gelang ihm jedoch nicht. Es wäre ihm wahrscheinlich nicht einmal dann gelungen, wenn er ein Lied angestimmt oder sich eine rote Nase aufgesetzt hätte.
„Ne, Lena ist okay“ sagte sie freundlich, „Und ja, es ist mein Zimmer.“
Peinlich , dachte sie, meine ganzen Klamotten liegen da noch herum und meine Nagelschere und der Nagellack und all das…
„Ich schau nur mal kurz rein…“ sagte er und bückte sich, um unter ihrem Bett nachzusehen. Der andere Polizist warf einen Blick in die Stube und in die Küche.
Das war nicht gerade das, was man unter „Die Wohnung auf den Kopf stellen“ verstand.
Sie glaubten ihr offenbar, dass David nicht hier war.
Täten sie das nicht, da war sie sich sicher, dann hätten sie hier garantiert alles auseinander genommen.
„Sogar einen Computer hast du, was?“ fragte der ältere.
Lena stand noch immer im Flur, ging aber nun in ihr Zimmer.
„Ja!“. Der Polizist – Uwe Abels – hatte die Arme vor dem Körper verschränkt und betrachtete ihren Schreibtisch. Lena wurde das ungute Gefühl nicht los, dass er irgendetwas wusste, wovon sie noch keine Ahnung hatte. Denn ebenso, wie Polizisten alles durften, wussten sie auch alles, oder zumindest mehr als jeder herkömmliche Bürger in diesem Land.
„Man hat mir gesagt, du und David, ihr kennt euch aus dem Internet. Stimmt das?“,
„Ja.“ Peinlich!
Er drehte sich zu ihr um und stütze sich mit dem Ellenbogen auf ihrer Kommode ab, so dass seine Hand auf seinem Kinn lag. Er bemüht sich immer noch darum, nett und freundlich zu sein, aber ich hab trotzdem Schiss vor ihm… Und das änderte sich nicht, als er ihr in gedämpftem Ton folgende Frage stellte:
„Denk bitte mal gut nach, Lena, hat David irgendetwas erzählt, wie oder mit wem er zu dir kommen wollte?“ Die nächste Schamwelle überrollte sie, denn ihr wurde mit voller Härte bewusst, dass David genau das tatsächlich getan hatte.
Er wollte per Anhalter fahren . Seine Nachricht erschien wieder in ihrem Kopf. Sie schluckte. Wenn er nun gekidnappt wurde…
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