Per Anhalter (German Edition)
erkennen? Was sollte sie überhaupt erkennen?
„Ich bin Uwe Abels und das ist mein Kollege Jens Fuhlendorf. Wir müssten mal mit dir sprechen, Lena.“
Baff! Das hatte gesessen. Mit mir sprechen?
Sie war wie gelähmt.
„Mit mir ?“ fragte sie.
„Ja. Sind deine Eltern auch zu Hause, oder bist du allein?“
Sie hätte am liebsten die Tür zugeschlagen und wäre schreiend in ihr Zimmer gerannt, wo sie ihre Mutter anrufen wollte, um sie um Hilfe zu bitten.
Ihr Herz hämmerte panisch schnell.
„Allein“ sagte sie. „Wieso?“,
„Hm, kennst du einen David Gimm?“ Im ersten Moment wollte sie nein sagen, aber das war natürlich gelogen.
David. Natürlich kannte sie David.
„Ähm… Ja. Warum?“, Der Polizist nickte.
„Bei dir ist er nicht zufällig gerade, oder?“ Ihr Gesicht fühlte sich auf einmal eiskalt an. Entweder war sie jetzt krebsrot oder kreidebleich. Wie auch immer – irgendetwas passierte mit ihrem Gesicht, sie konnte es spüren. Und sie wusste, dass die Polizisten es sehen konnten!
Polizisten konnten ohnehin alles sehen. Alles ! Sie schüttelte den Kopf. Er war schließlich auch nicht da. Eine Million unterschiedlicher Gedanken wallten zeitgleich in ihr auf und verglommen wie Sternschnuppen. Sie waren hinfort, noch ehe sie sie wirklich hatte fassen können, so wie der Ausweis des Polizisten gerade eben, der schon weg war, noch ehe sie überhaupt irgendetwas darauf erkennen konnte.
Es kam ihr vor, als wäre ihr Kopfschütteln falsch gewesen, als hätte der Polizist etwas anderes erwartet. Als ob es eine richtig oder falsch Antwortmöglichkeit gab und sie die falsche Variante gewählt hatte.
„Bist du dir sicher?“ fragte er, und sein Gesicht hellte sich merklich auf. Es war ein Gesichtsausdruck, den sie von ihrem Vater her kannte, wenn er fragte: Bist du wirklich sicher, dass ihr die Mathearbeit noch nicht wiederhabt? Wirklich sicher?
Er glaubte ihr nicht.
„Nein er ist nicht hier!“ sagte sie bestimmt. „Sie können gerne gucken.“,
„Wenn du uns das erlaubst, wäre das sehr freundlich. Du kannst aber auch vorher bei deinen Eltern anrufen und um Erlaubnis fragen, wenn dir das lieber ist.“,
„David ist wirklich nicht hier. Er wollte kommen. Er ist aber nicht gekommen.“
Die Polizisten wechselten Blicke miteinander.
„Er wollte kommen, kam aber nicht, sagst du. Wann war das? Vorgestern, oder?“ sie nickte und bekam immer größere Angst. Die Situation überforderte sie. Sie hatte unglaublich großen Respekt vor Polizisten, das war das eine – vor allen Dingen aber stand sie gerade unter einem mörderischen Stress. Was ist mit David? Ist er ein Verbrecher? Ist ihm was passiert? Hab ich etwas Falsches gemacht? Die letzte Frage beschäftigte sie vorrangig. Habe ich etwas Falsches gemacht? Hätte ich David nie schreiben dürfen… Sie erinnerte sich schlagartig an all die Fotos die sie ihm geschickt hatte. Besonders an die, auf denen sie nichts weiter an hatte als Unterwäsche. Vielleicht hat die Polizei das alles längst herausgefunden. Sie schüttelte den Kopf. Das seltsame , was sich in ihrem Gesicht abspielte, hatte immer noch nicht aufgehört. Es ging durch und durch.
„Er wird nämlich seit vorgestern vermisst“ sagte der jüngere Polizist. Sie starrte ihm verwirrt in die Augen, als hätte sie kein Wort verstanden.
„Vermisst?“ fragte sie.
„Seine Mutter sagt, er wollte zu dir. Wir haben seine letzten Kontakte überprüft. Du warst die letzte, die mit ihm Kontakt hatte.“,
„Aber hier ist er nicht, wirklich! Sie können gerne gucken.“,
„Das glauben wir dir, Lena. Wir schauen trotzdem gleich mal nach, aber wenn du uns sagst, dass er hier nicht ist, steht zu befürchten, dass ihm wohl etwas zugestoßen ist.“,
„ Was ?“ fragte sie verdutzt. Verdammt, sie war die ganze Zeit davon ausgegangen, David wäre ein mieser Betrüger. Ein perverses Schwein, das sie nur ausgenutzt hatte. Sie war wütend auf ihn und schwer enttäuscht und sie wollte seinen Namen nie wieder hören .
Und jetzt – jetzt war ihm plötzlich etwas zugestoßen ? Wie konnte es sein, dass sie diese Möglichkeit überhaupt nicht in Betracht gezogen hatte? Sie schluckte und wich von der Tür zurück.
„Das ist meine Schuld“ wimmerte sie.
„Ich hab gedacht, er hätte mich verarscht. Weil… Weil er kam ja einfach nicht. Und er hat sich auch nicht gemeldet. Oh nein… Fuck!“,
„Ganz ruhig, Lena. Es ist nicht deine Schuld, keine Sorge. Solange du ihn hier nicht
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