Per Anhalter (German Edition)
man sie murmeln, wenn sie am Zimmer vorüber ging und hoffte, dass sie bald fertig sein würde. Doch meistens ging es nur ein paar Minuten später erst so richtig los. Dann schrie sie durch die ganze Wohnung Dinge wie, „Vielen Dank auch, Leute“ oder, „Super, dass ihr mir geholfen habt.“ Sie konnte wirklich verdammt laut schreien wenn sie sauer war. Dann ging man in die Küche und sah den Berg von Einkäufen und es half nichts, sich mit Ausreden herauszuwinden, wie, man hätte es nicht gehört oder so. Selbst wenn man es nicht gehört hatte und sogar erst später nach Hause kam, ließ Mutter einen spüren, dass man verschissen hatte.
„Die Mülleimer sind alle voll, der Abwasch ist nicht gemacht, die Waschmaschine ist fertig und nicht ausgeräumt… Ich hatte euch doch gebeten, danach zu gucken. Das scheint ja zu viel verlangt zu sein. Ich arbeite von morgens früh bis jetzt und ihr macht den ganzen Tag gar nichts… Selbst solche Kleinigkeiten sind zu viel verlangt. Das kann Mama machen. Seht ihr das denn alles nicht?“
Bla-bla-bla.
Wie immer man es drehte und wendete – Mutter war erst einmal für ein- bis zwei Stunden ungenießbar. Hinterher ging es dann meistens wieder. Wie gesagt, es mag weit her geholt klingen, aber vom Prinzip her tat Britta nichts anderes als seine Mutter, wenn sie ankam und das Chaos zu Hause sah.
Sie hatte nach Mario und Lasse gerufen und keine Antwort von ihnen erhalten. Dann hatte sie anstatt zu schreien irgendwelches Zeug vor sich hin gemurmelt und war in den Wohnwagen marschiert, bepackt mit einem großen blauen Sack, den sie auf dem Boden abstellte.
Das behinderte Mädchen war ihr mit ihren leidenschaftslos herab hängenden Schultern und dem trüben Ausdruck auf dem Gesicht gefolgt und quengelte unentwegt herum.
Sie nuschelte und David verstand nur die Hälfte davon.
Jedenfalls heulte zu allem Überfluss auch das Baby mal wieder und er konnte Brittas Wut beinahe brodeln hören.
Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Es war wie eine gigantische Gewitterwolke die hier im Wohnwagen stand. Bald würde es ein gehöriges Unwetter geben, aber es zog sich unendlich in die Länge. Britta hielt ein Handy an ihr Ohr, wie David, der sich schlafend stellte, aus den Schlitzen seiner Augen heraus erkannte. Dieses schleuderte sie kurz darauf mit den Worten auf den Küchentisch, „Wozu hat man eigentlich ein Handy? Ich flipp hier aus, Leute!“ Speziell der letzte Satz rief wieder Erinnerungen an seine Mutter hervor. Und dann jammerte das behinderte Mädchen wieder. Irgendetwas wollte sie haben, aber was genau war für David unverständlich. Jedenfalls entlud Britta sich jetzt zum ersten Mal so richtig. Sie schnauzte das Mädchen an, es solle die Klappe halten und lieber nach Mario und Lasse suchen. Dann riss sie irgendwelche Schränke auf, worin sie etwas zu suchen schien. Das behinderte Mädchen quengelte weiter und auch das Baby stimmte munter mit ein.
„HALT DIE KLAPPE JETZT!“ schrie sie, und jetzt stellte sich das behinderte Mädchen in die Ecke und heulte. Britta schien das nicht zu interessieren. Sie murmelte wieder etwas und verschwand aus dem Wohnwagen. Das behinderte Mädchen – Sonja war ihr Name – lag inzwischen auf dem Boden und heulte Rotz und Wasser. David traute seinen Augen nicht, die Wohnwagentür stand sperrangelweit offen.
Er atmete tief durch… Dann jedoch zuckte er wieder zusammen.
Britta musste direkt unter dem Fenster gestanden haben, als sie erneut anfing zu keifen.
„LASSÄÄ! MARIO!“
Es war dermaßen laut, als hätte sie es direkt in sein Ohr geschrien.
Dann wieder: „LASSÄÄÄ!“ dieses Mal mit noch mehr Nachdruck, aber offenbar von weiter weg.
Er öffnete seine Augen, schaute zur Tür – sie hatte sie tatsächlich offen stehen lassen.
Diese Frau musste sich ihrer Sache unglaublich sicher sein.
Sie hat nicht einmal überprüft ob ich noch schlafe. Genau genommen hat sie mich überhaupt nicht registriert… Wieder brüllte Britta draußen die Namen ihrer beiden Familienmitglieder… Die Namen der beiden Tierquäler…
Sonja lag unterdessen auf dem Fußboden und bohrte in ihren Ohren herum. Sie hatte aufgehört so laut zu heulen (das tun Kinder wenn sie nur heulen weil sie bockig sind!).
David wusste sich keinen Reim auf seine Gefühle zu machen, aber diese Sonja heulen zu sehen machte ihn unwahrscheinlich aggressiv und wütend. So wütend, dass er sie am liebsten verdroschen hätte, weil sie sich wie ein verdammtes
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