Per Anhalter (German Edition)
ihm ab, stieg aus dem Auto und sammelte die Beretta auf. Wolfgang blieb sitzen und starrte gebannt auf den Mann, den er nun zum ersten Mal richtig sah. Er trug ein Hawaii-Hemd und eine Shorts aus Jeansstoff. Dazu Badeschlappen… Und verdammt noch mal der Typ stank wie ein Iltis. Wie ein verfluchtes Stinktier.
„Eine Beretta“ stellte der Typ fest und grinste über beide Ohren.
„Wo hast´n du die her?“,
„Ich wa-wa-„,
„Ich wa-wa. Das weiß man meistens nicht mehr, oder? Scheiß drauf! Ich behalt das Ding. Ist ´n nettes Teil. Hier hast du dein Handy. Bitteschön.“
Er warf es ihm zu und es blieb vor dem Auto im Gras liegen.
„Kannst ja deine Mami anrufen und ihr sagen, dass ein böser Onkel bei dir ist und dich ärgert.“,
„Ich möchte doch gar keinen Ärger“ jammerte er verzweifelt.
„Ich möchte… können wir den ganzen Mist nicht vergessen? Wenn ich irgendetwas tun kann um zu beweisen, dass ich meinen Mund halte, dann… lass es mich wissen, ich…“
Der widerliche Kerl mit dem hinterfotzigen Grinsen ging auf ihn zu. Horrorfilmtauglich, Westerntauglich – mit lässig herab hängenden Schultern und dem Ballermann in der Hand.
„Steig aus! Los, bisschen Dalli-Dalli, Fettsack. Mach schon. So ist gut. Stell dich gerade hin. Zeig was du für´n schönen Vorbau hast. Ha-ha. Fettes Arschloch, Alter.“
Der Typ steckte sich eine Zigarette in den Mund. Er schien den Moment, seine Dominanz, in vollen Zügen auszukosten. Er hatte ihm nichts entgegen zu setzen.
„Wo ist deine Geldbörse?“,
„Wie bitte? Ach. In meiner Hosentasche.“,
„Hol sie raus. Okay. Wie viel hast du drin?“,
„Muss ich nachsehen, das weiß ich so aus dem Kopf nicht.“,
„Gut, dann sieh nach.“
Er sah nach.
„Ungefähr 150.“,
„Ungefähr 150, ja? Okay. Du legst die Scheinchen jetzt schön säuberlich auf den Boden. Okay… gut. Und jetzt die Karten.“,
„Ich hab nur ne EC-Karte dabei.“,
„Wie, du hast nur ne verdammte EC-Karte? Was ist mit Visa? Mit Master Card. American Express. Oder wie heißen diese ganzen Scheißdinger.“,
„Ich hab zu Hause ´ne Mastercard. Aber… nicht mit.“,
„Wie lautet die PIN?“,
„5561“,
„Und du verarscht mich nicht?“,
„Nein.“,
„Das heißt, wenn ich mit dir jetzt ne kleine Spritztour zur Bank mache und die Nummer 5561 eingebe…“,
„Ja. Aber in der Bank gibt es Kameras. Wenn du mich abmurkst, werden sie nach dir suchen. Das willst du doch nicht, oder?“,
„Was zum Henker interessiert dich, was ich will und was nicht, hä?“,
„Ich mein ja nur…“,
„Ich mein ja auch nur. 5561. Karte auf den Boden.“,
„Okay. Okay. Alles gut. Ich, ich… würde auch die Mastercard holen, wenn…“,
„Halt doch einfach mal deine dumme Fresse, Alter. Ist dein Haustürschlüssel mit am Autoschlüsselbund dran?“
Er nickte. Es war ihm egal – sollte er doch seine Konten plündern, die Wohnung ausrauben und sich nehmen was er wollte. Hauptsache er ließ ihn leben .
Warum hab ich mich nur auf diese verdammte Schlampe eingelassen, verdammt noch mal.
„Den Rest mach ich schon, Dickerchen. Keine Sorge. Wenn ich mir die Schlurre anschaue, die du fährst, dann bist du ne gute Partie, hm?“,
„Ka-kann schon sein. Ja.“,
„Was bist du?“,
„Wie jetzt?“,
„Von Beruf. Was bist du da?“,
„Ich… War Anwalt.“,
„Du warst?“,
„Ja. Ich bin… Bin zurzeit Berufsunfähig… Ein Unfall“,
„Ein Unfall? Aha. Verstehe. Ich tipp ja eher darauf, dass dein Arsch zu fett ist! Weißt du… Irgendwie glaub ich dir kein Wort. Ich glaube, wenn du das Maul aufmachst, dann lügst du…“ Während er redete kniete er sich hin und sammelte das Geld und die EC-Karte auf.
„Aber ich…“,
„Halt die Schnauze. Ich rede , okay?“,
„Okay.“,
„Du steckst jetzt deine Brieftasche wieder ein.“
Das alles war gut durchdacht, bemerkte Wolfgang. Was immer der Kerl vorhatte – die Brieftasche brauchte er nicht. Er würde sie ohnehin wegwerfen und dann waren seine Fingerabdrücke darauf. Jetzt allerdings nicht. Nur was hatte er vor ? Das war die große Frage. Er schien sich selbst nicht ganz sicher zu sein, was prinzipiell wiederum eine gute Grundlage für Verhandlungsspielraum war.
Vor Jahren war es sein Job gewesen, Leute zu überzeugen. Er hatte Menschen sprichwörtlich aus der Scheiße gezogen, wenn sie ihnen bis zum Kinn stand und sie längst daran zu ersticken drohten. Während seines Jurastudiums hatte er an
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