Per Anhalter (German Edition)
Debattierwettbewerben teilgenommen und sie im Regelfall für sich entschieden. Menschen zu beschwafeln, umzustimmen, sie eines Besseren zu belehren – über Jahre war das die Grundlage seiner ausgesprochen erfolgreichen beruflichen Laufbahn gewesen. Warum sollte es bei dem Zigeunerpack also nicht klappen? Der Kerl war ein aggressiver Spinner, einer von der ganz harten Sorte – und letztlich war er auch nur ein Mensch, oder?
„Wir können uns wirklich einigen“ sagte er, um Aufrichtigkeit in seiner Stimmlage bemüht.
„Ganz egal, was immer du möchtest. Hauptsache du lässt mich mit dem Leben davon kommen… Sag einfach… Sag einfach was du willst.“ Bei seinen letzten Worten fing Wolfgang wieder an zu stammeln.
Es behagte ihm nicht, dass der Kerl auf ihn zugestapft kam und immer noch dieses teuflische Grinsen im Gesicht hatte.
„Na los, erzähl weiter!“ forderte er ihn auf. „G-g-geld, mein Auto… Alles. Egal.“
Eine Reihe ungepflegt gelber Zähne schimmerten durch den Schlitz seines halboffenen Mundes hindurch.
„Weiter!“,
„Was, weiter? Ich mein. Sag doch… Sag doch, was du willst.“,
„Hmm. Würdest du mir auch einen blasen?“ Wolfgang war aufrichtig verdutzt. Das war so ziemlich das Letzte, womit er gerechnet hatte, aber ja – ja, natürlich würde er ihm auch einen blasen wenn es um sein Leben ging. Nur passte dies absolut nicht zu jemandem wie dem Typen. Und schon gar nicht, wenn er den Ausdruck auf dem Gesicht beibehielt. Er wollte keinen geblasen haben – er spielte nur seine Macht aus – weil es ihm Spaß bereitete. Trotzdem nickte Wolfgang.
„Egal was.“,
„Egal was, ja? Das heißt, ich könnte jetzt meine Hose runter lassen und du würdest mir die Nudel sauber schlecken, ja?“,
„Ja… Wenn es das ist was…“;
„Nö! Ich wette, mir fault hinterher noch der Schwanz ab. Bist du ne Schwuchtel oder so?“,
„Wa?“,
„Ob du ne verdammte Schwuchtel bist, Mann.“,
„Nein!“,
„Aber blasen würdest du trotzdem, wie?“,
„Wenn… Wenn, also…“,
„Bist du ´n verdammter Perverser?“,
„Was möchtest du?“,
„Nun werden Sie mal nicht frech, Herr Anwalt“ lachte er.
„Herr EX-ANWALT! Ich werde schon sagen, was ich möchte, klar?“,
„Okay.“,
„Es gibt da eine Sache , die wollte ich immer schon mal machen, weißte?“,
„Okay… Und, äh, die wäre?“
Der stinkende Dreckskerl stand nun etwa eine Handbreit vor ihm. Wolfgang konnte jede Pore, jedes Barthaar und jede Falte auf seinem braungebrannten Gesicht erkennen.
Er hatte tiefe Augenringe und extrem lange Augenbrauen. Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn und er stank wirklich entsetzlich. Es musste Tage, wenn nicht Wochen her sein, dass er sich zum letzten Mal gewaschen hatte. Er selbst nahm es mit der Körperpflege ja auch nicht immer so ganz genau (nicht mehr!), aber so versifft war er nun wirklich nicht.
„Ich weiß nicht ob du das kennst“ sagte der Typ und blickte auf die Beretta herunter. Wolfgang schaute auch hin. Der Typ hielt sie mit seinen schmierigen schwarzen Händen umklammert, drehte und wendete sie in alle Richtungen, als betrachtete er ein Schmuckstück genau, um gleich einen angemessenen Preis dafür vorzuschlagen.
„Aus diesem einen Film… Da sagt er tanz , weißt du?“,
„Tanz?“,
„Ja, muss ´n Western oder so gewesen sein, keine Ahnung. Hat mir jedenfalls gut gefallen.“,
„Ich hab keine Ahnung, was du meinst, aber…“,
„Na tanz!“,
„Was?“,
„TANZ!“
Der Knall kam völlig unvermittelt. Dieser irre Kerl zielte nicht einmal. Er sah ihm in die Augen und drückte einfach ab. Dann lachte er bellend, fast wie in Ekstase.
„TANZ!“ brüllte er erneut, doch dieses Mal drückte er nicht ab.
„Bist du wahnsinnig ?“ kreischte Wolfgang. Er war vor Schreck zurückgesprungen und gegen sein Auto geprallt. Die Kugel der Beretta hatte einen gewaltigen Krater in der staubigen Erde hinterlassen. Beißender Schwefelgeruch hing in der Luft, so ähnlich wie an Silvester, nur noch weitaus intensiver, kräftiger irgendwie.
„Ob ich wahnsinnig bin?“ fragte er freudig. „Nun, ja. Ja, das kann schon sein. Aber ich denke eher dass es daran liegt, dass ich so ein Waffennarr bin, verstehst du? Schon als ich ´n kleiner Steppke war fand ich die Dinger total geil. Mein Opa hatte ´n Gewehr, ´ne Remington. Er hat das Teil immer ´sein bestes Stück` genannt, und verdammt noch mal, dass Ding hatte wirklich einen Wahnsinns-Wumms. Ich hab damit als
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