Per Anhalter (German Edition)
Ich meins Ernst! Wenn wir jetzt abhauen, dann hauen wir richtig ab. Und dann will ich nie wieder, hörst du, nie wieder irgendeinen bescheuerten Kram von wegen Familienzuwachs hören.“,
„Ja, vielleicht siehst du erstmal zu dass du jetzt draußen weiter machst, bevor du hier den Aufstand der Zwerge probst. Okay?“
Dann war es still. Zwei, vielleicht auch drei Sekunden lang. Unheilvolle Sekunden.
Gleich wird etwas passieren – Für David war dies glasklar.
Mit ihrem letzten Satz hatte Britta den letzten seidenen Faden gekappt, der in Marios Kopf dafür sorgte, dass er zumindest körperlich die Fassung behielt. Jetzt war es aus. Aus und vorbei mit seiner Geduld.
Und siehe da – er explodierte.
David traute seinen Augen nicht! Mit nur einer Hand hobelte Mario im Sitzen den Tisch aus, stemmte ihn hoch und schleuderte ihn zur Seite. Die darauf befindlichen Tassen, das Glas mit dem Babybrei, der Aschenbecher und auch Brittas Handy fielen nacheinander scheppernd und klirrend auf den Boden. Dann stieß Mario den Tisch von sich und stand auf.
„Ich meine es verdammt ernst“ zischte er. David konnte seine Atmung hören. Mario war nur noch ein Roboter. Ein Terminator. Und wenn Britta jetzt nicht langsam mal die Füße stillhielt und vernünftig mit ihm kommunizierte (sofern das überhaupt möglich war), würde er alles aus dem Weg räumen, was nicht bei drei auf den Bäumen war.
„Hast du mich verstanden?“ brüllte er. Sonja war von ihrem Stuhl aufgesprungen und stand in Habachtstellung neben Mario. Ihr dumpfer Gesichtsausdruck war geblieben. Der Mund stand offen und sie glotzte ihn an wie ein Primat im Zoo ein Kind anglotzt, das auf der anderen Seite der Gitterstäbe dumme Faxen macht.
Vivi, das Baby, fing erschrocken an zu wimmern, während Mario, beide Hände zu Fäusten geballt, jede Faser seines Körpers unter Anspannung, schnaubend auf Britta zuging.
„Ob du mich verstanden hast?“ brüllte er. Und jetzt der eigentliche Klopper: Britta!
Sie war unfassbar. Sie sprang nicht etwa erschrocken vom Tisch auf und flüchtete. Sie suchte nicht nach einer Waffe, um sich vor dem ausgeflippten Mario zu schützen. Sie verlor noch nicht einmal die Fassung und schrie. Sie saß auf ihrem Stuhl. Sagte nichts. Mario schnaubte weiter. Beim Atmen zischte der Speichel durch seine Zähne und er ächzte und stöhnte. Und dann – jetzt kommt der Hammer – fing Britta an zu lachen. David traute seinen Ohren nicht. Er hatte das Gefühl, sich jetzt mit aller Kraft schützen zu müssen, denn gleich würde das hier eskalieren.
Er war sich sicher: Jetzt schlägt er sie gleich zusammen. Ach du Scheiße… Gleich dreht er völlig durch. Und ich bin nicht mal geschützt. Ich liege einfach hier, hab das Gesicht in ihre Richtung, bin nackt und in Handschellen. Und wenn er irgendwas umher schleudert trifft er mich… Ich will es gar nicht sehen…
Er erinnerte sich an das, was Mario und Lasse mit dem Hund angestellt hatten.
Warum, Britta? Warum tust du das? Es klingt seltsam, aber David dachte in diesem Moment mit den Worten seiner Mutter: Vertragt Euch. Er hätte es ihnen am liebsten zugerufen. Vertragt euch, bitte. Bitte, bitte, bitte vertragt euch. Lasst nicht zu, dass das jetzt auch noch passiert.
Aber Britta lachte weiter. Nicht etwa hysterisch oder so, oh nein – sie lachte so, wie jemand lacht, der gerade einen guten Witz gehört hat. Keinen überwältigend guten, aber einen, über den man nachdenken muss und ihn dann versteht. Der einem plötzlich einleuchtet und über den man dann ernsthaft sagen muss: Der war gut. Der war wirklich gut.
Fällt jemand in einen Graben, während man irgendwo in einem Café sitzt, und man beobachtet die Szene und denkt im einen Moment noch, pass auf wo du hingehst und dann passiert es – dann muss man unweigerlich los prusten vor lachen. Aber so war das bei Britta nicht. Sie fand es einfach nur witzig. Ein Blondinenwitz, nichts was einen vom Schemel haut, nicht urkomisch, aber witzig. Und sie saß mit übereinander geschlagenen Beinen auf ihrem Stuhl und rührte sich nicht vom Fleck, obwohl der schnaufende Riese direkt vor ihr stand und so wie es aussah ernsthaft in Erwägung zog, ihr gleich eine runter zu hauen.
David vergaß in diesem Moment völlig, dass er die Augen lieber nicht zu weit aufreißen sollte. Seine Augen waren jedoch weit geöffnet, so gefesselt war er und so massiv in den Bann gezogen von der bedrohlichen Situation, bei der er live dabei war.
Und Britta war noch
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