Per Anhalter (German Edition)
gegenüber. David war nach wie vor nackt, doch das kümmerte ihn im Augenblick wirklich einen Scheißdreck. Mario kehrte unterdessen die aus dem Aschenbecher gefallenen Kippen sowie die Glasscherben mit Handfeger und Schaufel zusammen. David starrte ihn wie gebannt an, bis er bemerkte, dass Britta ihm die Schachtel vors Gesicht hielt. Sie schien dies schon mindestens zehn Sekunden zu tun und ihn dabei zu mustern. Er lächelte und zog eine Zigarette aus der Schachtel. Seine Hände zitterten und kribbelten noch immer.
Er sog gierig an der Zigarette und spürte diesen seichten Schwindel.
Ein angenehmes und ekelhaftes Gefühl gleichermaßen.
Es herrschte eine unangenehme Stille im Wohnwagen. Alles schien auf ihn zu warten, darauf, dass er anfing von sich zu erzählen oder so was. Doch er starrte nur den Tisch an. Dann Mario. Und schließlich Britta, die ihn mit einem servilen Lächeln auf den Lippen und ihrem ungeheuer durchdringenden Blick musterte. Dann geschah zweierlei: erst sagte Mario, er werde jetzt nach draußen gehen und alles für die Abfahrt vorbereiten (vom Streit war jetzt auf einmal gar nichts mehr zu spüren). Außerdem wollte er noch einmal versuchen, ob er Uwe erreicht bekam. Mario wollte gerade die Tür öffnen, als draußen ein lautes Krachen ertönte. Das war das Zweite was geschah – und von peinlicher Stille war nun nichts mehr übrig. Das Krachen war so laut, dass man meinte, es war direkt vor dem Wohnwagen jemand mit hohem Tempo in einen Baum gekracht.
„Was war das?“ rief Britta und sprang vom Stuhl auf, an Mario vorbei und auf die Wohnwagentür zu.
„Das klang wie ´n Schuss“ stellte Mario fest. Noch ehe Britta die Wohnwagentür öffnen konnte, kam Lasse ihr zuvor. Er bestätigte Marios Vermutung mit den geistreichen Worten,
„Draußen wird geknallert, Mommor. Erngjemand knallert da.“
Britta war längst an ihm vorbei gestürmt. Mario war noch im Wohnwagen.
„Hast das auch gehört, Pabba?“ fragte er Mario. Dieser reagierte jedoch auch nicht. Er kramte in einer der Schubladen und holte daraus eine Pistole hervor. Ohne Lasse auch nur irgendeine Antwort zu geben, stürzte er ebenfalls zur Tür heraus, rempelte Lasse über den Haufen und schnauzte ihn an, er solle gefälligst aufpassen. Dann war er weg. Auch Sonja war in der Zwischenzeit aufgestanden. Aus ihrem großen, stets offen stehenden Mund rann Speichel heraus.
„Was ehs Lassä? Was eehs?“ fragte sie aufgeregt. „Knalln die?“ Lasse aber glotzte ihnen wie ein Rindvieh hinterher. Hätte David nur noch einen letzten Beweis gewollt, dass Lasse, genau wie Sonja, geistig auf dem Stand eines Kleinkindes war, dann bekam er ihn jetzt, denn Lasse hatte seine Hand zunächst unter seinem T-Shirt vergraben und kratzte sich irgendwo an seiner fetten Wampe, während er beobachtete, was Mama und Papa taten. Zwischendurch sagte er immer „Hammer heftig ey“ oder so, bis er schließlich die Arme anwinkelte und mit den Händen wackelte, was ihn nicht einfach nur wie den letzten Hinterwäldler aussehen ließ, sondern vor allen Dingen wie einen kleinen Jungen, kurz vor der Öffnung des Vergnügungsparks.
Er war außer sich vor lauter Aufregung. Ohne Unterlass quengelte Sonja mit der Frage, „Was ehs, Lassä?“ herum. Das Baby hatte wieder zu weinen angefangen. Es herrschte eine Geräuschkulisse wie im Kindergarten. Pausenlos wurde gebrabbelt und geschnattert, geheult und gequeiekt.
David stopfte die zur Hälfte aufgerauchte Zigarette in den Aschenbecher.
Er sah eine Chance, Hoffnung… Vielleicht die letzte die er je haben würde… Doch es musste schnell gehen und er musste es geschickt anstellen. Zunächst aber schnauzte Lasse seine nervige Schwester an, sie solle ihn gefälligst nicht anfassen. Sie war auf ihn zugegangen und schüttelte ihn an der Schulter.
„Knalln die?“ fragte sie wieder.
„Macker Sonja Alter, geh ins Bett. Sonst schimpfen Mama und Pabba gleich. Du musst dich versteggen.“ Sonja hielt sich die Hand vor den Mund, dann stieß er sie fort. Jetzt sah er ihn an und ein Leuchten erhellte seine Augen.
„Hassas gehört, David? Das knalln?“
David nickte. Und er schmunzelte. Jetzt oder nie, ich muss mich drauf einlassen : „Ja, hammer heftig“ sagte er. Lasse fing an blubbernd zu lachen. Er schaute zur Tür heraus und schnauzte erneut Sonja an, sie solle sich gefälligst hinlegen.
Lasses rechte Hand war wieder unter dem T-Shirt vergraben und er kratzte sich an seiner Brust. In der
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