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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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Kippe fort.
    „Also los.“
    Sie stiegen ins Auto. Alles darin war bereits „typisch Uwe“, wie sie immer sagten. Uwe hatte einen ausgeprägten Hang zu Kitsch, wie beispielsweise dem wackelnden Elvis, der neben einem Wunderbaum mit der Duftrichtung Sportfrische, am Rückspiegel befestigt war, oder die große gelbe M&Ms-Plüschfigur auf der Rückbank. Außerdem „typisch Uwe“: Halspastillen, Hustenbonbons und Kaugummis in den verschiedensten Formen und Geschmacksrichtungen. Zudem eine Glasflasche Burn Energy Drink (die ausgetrunken auf der Fußmatte der Beifahrerseite herum lag) und die silberne Schatulle, in der er sein Gras aufbewahrte. Alle seine Autos waren vollgerummelt mit irgendwelchem Krimskrams, genau wie sein Wohnwagen. Wenn er sich mal dazu bequemte aufzuräumen, konnte man sich darauf verlassen, dass spätestens in zwei Tagen alles aussah wie zuvor. Von Ordnung hielt Uwe nichts. Überhaupt war es schwer zu sagen, was Uwe überhaupt mochte. Mal abgesehen von Faulenzen, Joints rauchen und Holz hacken. Daran hatte er seine Freude. Er meinte immer, nichts auf der Welt entspannte ihn so sehr wie Holz hacken. Er konnte es stundenlang (mit genügend Pausen dazwischen) tun. Häufig kam es vor, dass er sich dabei sogar mit sich selbst unterhielt. Speziell wenn er vorher gebechert hatte oder bekifft war, was man im Übrigen beinahe als Dauerzustand bezeichnen konnte. In Uwes neuem Vehikel (er musste es kurz vor seinem Tod entweder gekauft oder gestohlen haben. Letzteres war Uwes Spezialität) herrschte eine Bullenhitze.
    Und irgendwie war es extrem beklemmend darin zu sitzen. Immerhin hatte Uwe sie all die Jahre über begleitet. Erst jetzt schien den beiden so richtig bewusst zu werden, dass Uwe nicht mehr lebte. Sie hatten soeben ihren toten Freund, einen Angehörigen wenn man so wollte, fortgeschleift. Sie saßen mitten in den Überresten seines Lebens. Ihre Hände rochen nach seiner Haut. Genau wie das Auto nach ihm roch. Nach ihm , der nicht mehr da war, sondern der jetzt unter ein paar Sofakissen begraben lag und dessen Körper bald von Ungeziefer ausgehölt sein würde. Britta hatte eine Ahnung, wer es gewesen sein konnte. Der Spinner aus dem Waschsalon. Sie war ja nicht dumm. Sie wusste, dass er ihr gefolgt war, mit seiner Bonzenkarre und dieser selbstsüchtigen Arroganz die er ausstrahlte. In Wirklichkeit war er ein Waschlappen. Ein armseliger Verlierer, der einfach vergessen hatte, dann und wann mal in den Spiegel zu schauen. Sie wäre zu jederzeit leicht mit ihm fertig geworden. Uwe allerdings auch. Uwe hatte normalerweise keine Probleme damit, sich zu wehren. Zumal der Kerl eigentlich nicht besonders aggressiv wirkte... Er musste eine Waffe dabei gehabt haben. Das haben viel mehr Menschen als man denken mag, und doch waren ihrer Erfahrung nach weniger als die Hälfte aller Waffeninhaber auch dazu in der Lage, sie wirklich dazu zu benutzen, einen Menschen zu erschießen. Noch nicht einmal in Ausnahmefällen. Sie war ehrlich gesagt davon ausgegangen, dass der Kerl sich mit der Polizei kurzgeschlossen hatte und vorhatte, sie für den tätlichen Übergriff anzuzeigen. Daher hatte sie es auch besonders eilig hier wegzukommen. Jetzt fragte sie sich eher, ob der aufgeblasene Scheißkerl nicht noch irgendwo hier herum lief und sie beobachtete. In knappen Worten berichtete sie Mario von ihrem Erlebnis im Waschsalon. Er hörte misstrauisch zu. Sie waren jetzt bereits wieder bei den Wohnwagen, also konnte er keine Fragen stellen oder sich mithilfe seiner zuweilen verrückten Fantasie irgendetwas zusammendichten, was er im Übrigen gerne mal machte. Als Britta die Tür öffnete, fragte er,
    „Wo willst du diesmal hin? Bitte nicht wieder zu Lolle.“,
    „Da müssen wir aber erstmal hin. Es sei denn, du willst doch in den Knast. Dann fahr meinetwegen mit den Autos weiter.“,
    „Ach, komm, Britta. Lass uns zusehen, dass wir den ganzen Krempel loswerden und dann mal irgendwo fest vor Anker...“
    Britta stieg einfach aus. Typisch! Mario kaute an seinem Daumennagel herum und blieb erst einmal sitzen. Manchmal hasste er diese Frau aus vollem Herzen.
    Ja… Manchmal hasste er sich selbst aus vollem Herzen, weil er ihr so verdammt ausgeliefert war. Am liebsten wäre er einfach davon gebraust, hätte unterwegs jeglichen unnötigen Ballast abgeworfen und hätte neu angefangen. Ganz von vorne. Und ganz für sich alleine. Doch Britta hatte Recht, er würde untergehen. Sang- und Klanglos würde er einfach absaufen.

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