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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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auflöste.
     
    „Wenn nicht anders, müssen wir Werner mal anrufen“ hatte Reinhard vor kurzem gesagt. Werner war der Förster. „Und Christian Ingwersen sollte auch gleich Bescheid haben, genau wie Horst Kuchenbecker“ hatte sie daraufhin gemeint. Christian Ingwersen war der Dorfpolizist, Horst Kuchenbecker der Bürgermeister. Bürger meister wie sie immer sagte. Reinhard meinte, es hieße einfach Bürgermeister, ohne Betonung auf das Wort Meister. Darüber konnte man sich mit Reinhard einen halben Tag lang auseinandersetzen wenn er besonders schlechte Laune hatte. Ihr war es vom Prinzip her egal, ob man nur Bürgermeister oder Bürger meister sagte – in jedem Fall sollte er Bescheid wissen, genau wie der Polizist und der Förster. Sie wettete darauf, dass keiner von den Dreien sonderlich erfreut darüber sein würde, wenn sie erfuhren, dass fremde Leute in den Wald fuhren. Fahren war im Wald eigentlich den Forstleuten vorbehalten, oder etwa nicht? Sie kannte jedenfalls niemanden sonst, der je mit einem PKW in den Wald gefahren wäre.
    „Das Merkwürdige an der Sache“  hatte Reinhard gemeint, „Ist ja, dass die zwar da rein gurken, aber nicht wieder raus kommen.“ Und das war in der Tat sehr auffällig. Man sah sie immer nur in den Wald reinfahren. Klar, irgendwie oder irgendwo mussten sie auch wieder heraus kommen, denn sonst konnten sie ja schließlich nicht immer wieder hinein fahren, aber wann und wo, und was sie in der Zwischenzeit anstellten, fing allmählich an, sie immer mehr zu interessieren. Nicht dass das Verbrecher sind , dachte sie. Schmuggler vielleicht, oder Zigeuner oder weiß der Kuckuck was…
     
    Sie versorgte ihre Blumen zu Ende und ging daraufhin ins Haus zurück, um sich einen Cappuccino zuzubereiten. Morgens gab es immer Kaffee, am späten Vormittag Cappuccino und am Nachmittag wählte sie spontan aus. Manchmal machte sie sich auch einen Café Latte oder einen Espresso, je nach Lust und Laune. Jetzt aber war erst einmal Cappuccino-Zeit. Über den Wintergarten ging sie nach draußen auf die Terrasse. Auf dem Tablett, dass sie in den Händen hielt, befand sich außer der Kaffeespezialität auch noch ein geschälter Apfel (>>Vitamine sind wichtig<< lautete ihre Devise), das schurlose Haustelefon sowie je eine Ausgabe der Zeitschriften Freizeit Revue , Freizeit Woche und Woche der Frau .
    Das Meiste hatte sie daraus schon gelesen, doch das war nicht weiter schlimm, denn der Sinn stand ihr viel mehr nach Kreuzworträtseln als nach lesen. Sie stellte das Tablett auf einen der weißen Gartenstühle. Zunächst musste der Tisch gereinigt werden.
    „Oha, ihr Piepmätze“ sagte sie lächelnd, „Ihr habt ja wieder mal ordentlich Schwienkram gemacht, wa?“ Sie sah eine Drossel im Baum sitzen und sprach zu ihr: „Jaa, ordentlich Schwienkram, sach mir mal.“ Dann besorgte sie sich ein Sitzpolster, stellte das Tablett auf den Tisch und tat zwei Würfel Zucker in den Cappuccino. Mitsamt der Untertasse nahm sie ihn in die Hand, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, nippte daran und schloss genussvoll die Augen, während sie den köstlichen warmen Cappuccino im wahrsten Sinne des Wortes auf der Zunge zergehen ließ. „Mmmh“ stöhnte sie. Für die Kaffeeindustrie wäre dies das Idealbild für eine Werbeaufnahme gewesen. Sie trank noch einen weiteren Schluck, stellte Untertasse und Tasse auf den Tisch und nahm sich eine der Zeitschriften. Sie hatte sie noch nicht aufgeschlagen, als sie ein merkwürdiges Geräusch vernahm. Eine Art Krachen, wie von berstendem Holz.
    Was war das denn , dachte sie erschrocken. Und sofort erschien vor ihrem geistigen Auge die eigenartige Frau mit dem Geländewagen. Gut möglich, dass dieses Geräusch gar nicht von ihr stammte, dass es nicht das Geringste mit ihr zu tun hatte, aber sie hatte jetzt trotzdem die Schnauze voll. Sie kannte Werner Steinbach sehr gut und brauchte nur seine Nummer mit dem Telefon anzuklicken, um direkt mit ihm verbunden zu sein. Eigentlich hatten sie damit schon viel zu lange gewartet, waren zu sehr von Zweifeln geplagt – man muss eben tatsächlich nicht immer gleichen „nen Film davon drehen“ wie Reinhard so schön zu sagen pflegte. Aber genug war genug. Irgendjemand musste die Sache da mal klären. Ob die fremden Leute nun im Wald oder aber im eigenen Vorgarten waren, spielte vom Prinzip her keine Rolle – Fakt war, dass sie da waren und sie ihr allmählich unheimlich wurden. Sie überlegte noch kurz, doch dann wählte sie im

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