Per Anhalter (German Edition)
Uwe zusammen.“,
„Also bleibt das hier nicht mein Zimmer oder…“,
„NEIN, bist du verrückt ? Du willst doch irgendwann auch mal wieder Tageslicht rein lassen oder nicht?“,
„Na ja, wenn´s nur abends…“,
„Nein-nein, du wohnst, wie gesagt, bei Uwe. Tust du jetzt ja praktisch auch, nur eben im hinteren Abteil.“
Wieder hielt Mario inne und holte tief Luft.
Irgendwie war er ziemlich verpeilt.
„Gut. Sonst hab ich nix weiter“ stellte er fest.
„Hast du noch irgendwas auf dem Herzen?“
Neee, dachte David, natürlich nicht. Alles gut, ehrlich!
„Eigentlich nur noch eine Frage. Bitte nicht sauer werden, aber…“,
„Bitte. Stell sie.“,
„Warum ich? Warum… Also warum habt ihr mich ausgesucht? Nur weil ich eben da war? Weil ich per Anhalter mit wollte, oder…“,
„Das ist keine Frage die etwas damit zu tun hat, wie du hier lebst, David.“ Mario stand auf. „Dö-Dö-David“ lachte er. „Dö-Dö. Dö-dö-dö-dö!“
Er schaltete das Licht aus und schraubte die Glühbirne heraus. Dann rollte er das Pflastertape ab und klebte insgesamt drei Streifen über seinen Mund. Es war wieder finster in dem Raum. Und gleich würde es noch weitaus finsterer sein als jetzt. Mario quetschte sich durch die Luke nach draußen.
„Also, mein Lieber. Dann bis morgen, ja?“ Er ließ die blecherne Luke zu knallen. Draußen wurde abgeschlossen. Offensichtlich hängte er zudem noch etwas davor. Es raschelte und knallte, dann hörte es sich an wie ein Hämmern.
Und dann war´s das.
Danach war Ruhe.
Und er stand hier, allein, in völliger Dunkelheit… mit schmerzendem Kopf, brennenden Gliedern, halbnackt, gedemütigt, unverstanden und mit dem Gefühl völliger Leere. Ihm fiel auf, dass Mario sogar vergessen hatte, den Fernseher einzuschalten.
***
Erschöpft ließ er sich auf die Matratze nieder. Furcht und Hoffnung wechselten einander ab. Er hatte das Bedürfnis zu weinen, aber irgendetwas in ihm verhinderte dies. Die Stille in diesem Kabuff war wirklich unerträglich intensiv.
Mario hatte nicht übertrieben.
Wer hat wohl sonst noch auf diese Matratze gepisst und geschissen , fragte er sich und die feine, aber nicht ausblendbare Intensität des Uringestanks verstärkte sich um eine Nuance. Er fing an sich zu ekeln, bis er nichts anderes mehr roch als Pisse.
Nach einer Weile schließlich sagte er sich, ich kann es ja doch nicht ändern. Ich kann überhaupt nichts ändern. Seltsamer Weise verschwendete er zu diesem Zeitpunkt keinen Gedanken mehr an Lena. Vor seinem inneren Auge sah er lediglich das heimische Wohnzimmer, und er stellte sich vor, was seine Mutter tun würde oder eventuell schon getan hatte. Er hörte sie in seinem Kopf fluchen und toben. Und im nächsten Moment sah er sie weinend, zusammengekauert auf dem Sofa liegen.
Als die Beziehung mit Axel in die Brüche ging, hatte sie so da gelegen, wie sie jetzt in seinem Kopf da lag. Aber was würde sie tun? Er spielte Szenarien in seinem Kopf durch, wie seine Mutter zur Polizei ging. Es war ein regelrechter Krimi der sich da oben in seinem Hirn abspielte. Zwei Männer und eine Frau waren es, die auf einen Computermonitor schauten, wo ein blinkendes Symbol erschien, welches die Position seines Handys bedeutete. Das war der Idealfall… Doch bald darauf sah er seine Mutter und Nadja durch die Innenstadt von Rendsburg schlendern. Seite an Seite. Beide hatten eine Eiswaffel in der Hand, und bei jeder Gelegenheit sagte seine Mutter: „David weiß ja gar nicht, was ihm entgeht.“ Und irgendwann fragte Nadja sie, ob sie glaubte, David käme jemals wieder. Sie zuckte mit den Schultern und sagte kalt, „Keine Ahnung. Aber weißt du was? Das muss er selbst entscheiden. Wenn er meint, dass er es so haben will, dann lass ihn doch.“
Dann lass ihn doch… Dann lass ihn doch… Irgendwann waren diese vier Worte die einzigen, die er noch vernahm. Sie hatten so viel Ausdruckskraft und sie wirkten so… unglaublich real .
Aber sie hat versucht mich auf dem Handy zu erreichen. Sauer oder nicht sauer? Vielleicht wollte sie sagen, „Ich hab deine Sachen draußen ins Treppenhaus gestellt. Hol sie ab, oder ich tu sie weg.“ Eine Gänsehaut überkam ihn bei der Vorstellung. Und weil ich nicht drangegangen bin, hat sie sie jetzt einfach ins Treppenhaus gestellt. Sie hat Farbe gekauft, um mit Nadja mein Zimmer zu streichen und alles neu zu renovieren.
Auf was für Ideen man kam, wenn man sich in Isolation befand… Das
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