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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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war unfassbar.
    Er dachte, es ist unglaublich, wie gut ich sie kenne. Alle beide. Ich kann sie mir in sämtlichen Situationen vorstellen. Positive Situationen und negative Situationen. Dann erschienen Oma und Opa plötzlich auch noch. Sein letzter Kontakt mit Oma und Opa war alles andere als positiv. Opa hatte mal wieder gemeckert. Obwohl… Konnte man das so nennen? Ja, schon… Dabei war es eigentlich kein richtiges Meckern. Es war vielmehr eine Moralpredigt, die er ihm wie so oft gehalten hatte. Eine Predigt darüber, wie das Leben funktionierte und wie es absolut gar nicht ging. Sein Leben sei ein Paradebeispiel dafür, wie man es nicht angehen sollte.
    Er dachte an die Zeit im Supermarkt… An sein so genanntes „Praktikum vor der Ausbildung“ dort. Er hätte jetzt seinen Ausbildungsvertrag noch haben können… Eine Lehrstelle… Wenn er nur nicht beim Süßigkeiten packen diese bescheuerte Tüte Haribo Colorado geöffnet hätte. Er hatte echt Hunger gehabt. Riesenhunger um genau zu sein. Er hatte sich einen Lakritz genommen, ihn mit einem gelben und einem roten Frosch gemischt und ein Gummibärchen hinterher gestopft. Es tat so unfassbar gut, etwas im Mund zu haben. Dann hatte er um sich geschaut. Die Tüte Colorado hatte er sich in die Hosentasche gestopft. Er konnte diese harten Dinger nicht gut ab, die wie ein Sandwich aussahen, mit Lakritz in der Mitte, aber alles andere war echt lecker. Sogar die bunten Teile mit dem Pulver drinnen. Er muffelte fast die ganze Tüte auf… Und dann brachte er Pappe weg. Dieser komische Typ mit der Elvis-Frisur kam hinter ihm her. Mal war er ganz lustig, mal ein richtiges Arschloch. An diesem Tag war er anfangs noch richtig locker gewesen.
    Er machte also Pappe klein, und dann sagte der Elvis-Typ: „Was hast du denn da am Arsch?“ und zog die Haribo-Tüte heraus. „Nix, nur ein paar Weingummi.“,
    „Hier von uns?“ – Und hier war der eigentliche Fehler! Hier hätte er sagen müssen, er hätte sie von Zuhause mitgebracht, vielleicht wäre dann alles anders gekommen…
    Doch er hatte sofort im Kopf, wie sie bei Mutter anriefen und sie aushorchten, ob sie Haribo-Colorado im Haus hatte. War natürlich eine total schwachsinnige Vorstellung, zumal sie bestimmt geschaltet hätte, oder? Die Wahrheit aber war, dass Mama nur sehr selten mal Süßigkeiten mitbrachte, besonders Haribo und solche Sachen. Wenn, dann war es meistens Schokolade oder vielleicht mal eine günstige Tüte Chips. Haribo und Co. waren nach ihrer Aussage „viel zu teuer“. Vielleicht kam es ein, zweimal im Jahr vor, dass sie eine Tüte davon im Haus hatten. Sie selbst mochte sie nicht, was wohl auch ein Grund war, weshalb es so selten vorkam.
    Wie auch immer – er sagte dem Elvis-Typen jedenfalls: „Ja, von hier“ und hatte Recht mit der Vermutung, dass der Kerl sagte, er wolle den Bon sehen.
    „Den hab ich gar nicht mit bekommen…“,
    „Du hast keinen Bon mitbekommen? Wir müssen aber die Bons aufheben, das weißt du doch.“,
    „Ja.“,
    „Bei wem warst du denn an der Kasse?“ Er suchte nach irgendeinem Ausweg aus der Bredouille – doch es gab keinen Ausweg. Das Hintertürchen hatte er selbst abgesperrt und die Schlüssel dem Elvis-Typen (der richtige Name war Sascha) übergeben. Was genau er dann zu Sascha gesagt hatte, wusste er nicht mehr.  Nur, dass es irgendein verballhorntes Geplänkel war… Hatte er überhaupt etwas gesagt?
    „Beim wem warst du denn an der Kasse? Bei Erika oder bei der Chefin.“ Er hatte gesagt, „Bei Erika“, doch er hätte genauso gut gleich mit der Wahrheit rausrücken können, dann wäre ihm der peinliche Gang hinter Sascha in Richtung Kasse erspart geblieben, der vorbeiführte an all den anderen Packhilfen die da waren und ihn komisch ansahen. Eine fragte sogar, wann er denn endlich mit dem Pappwagen zurückkommen wollte. „Ich komm gleich“ hatte er zu ihr gesagt, aber Saschas Gesicht sagte etwas anderes… Etwas, dass er wusste… und bald alle wissen würden… Er würde hier nie wieder einen Pappwagen anfassen, nie wieder Ware ins Regal stellen und auch niemals seine Ausbildung antreten.
     „Erika?“,
    „Ja?“,
    „War der Sputnick hier bei dir an der Kasse und hat Haribo gekauft?“ fragte Sascha (er nannte ihn aus irgendeinem Grunde immer Sputnick oder Sportsfreund).
     „Haribo?“ fragte Erika verdutzt. „Er war überhaupt nicht bei mir an der Kasse…“ Und dies war der bis dahin peinlichste Moment seines Lebens. Da konnte nichts

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