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Per Anhalter in den Himmel - wahre Geschichten für Teens

Per Anhalter in den Himmel - wahre Geschichten für Teens

Titel: Per Anhalter in den Himmel - wahre Geschichten für Teens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerth Medien GmbH
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wäre schön, wieder ein Kind zu sein, dachte sie – blindes Vertrauen zu haben, wie sie es auch einmal gehabt hatte. Als sie noch klein war, hatte sie sich immer so sicher gefühlt in der Kirche, hatte beobachtet, wie ihre Arme im Licht der bunten Glasfenster ebenfalls bunt geleuchtet hatten – so als wäre sie ein Bild, das Jesus gerade malte.
    Jetzt waren die Gottesdienste für sie häufig nichts anderes mehr als aneinandergereihte Worte. Mara wusste eigentlich gar nicht mehr, weshalb sie sich überhaupt die Mühe machte, noch hinzugehen . Aber da war etwas, wonach sie sich immer noch sehnte, etwas, das sich nicht fassen ließ und sich ihr entzog. Wie ein Kind wünschte Mara sich eine Welt voller Engel.
    Natalie wartete schon auf sie, als Mara am nächsten Morgen in der Schule ankam.
    „Ich habe meinen Taschenrechner vergessen“, murmelte sie, „und ich brauche ihn zur Ersten.“
    Mara schloss die Tür auf, insgeheim erfreut, Natalie zu sehen. „Ich koche einen Kaffee“, bot sie an. „Vielleicht kannst du ja auch einen brauchen.“
    „Ja, gut.“ Natalie schlurfte herein; sie roch nach Seife. Der Taschenrechner lag auf der Fensterbank. Natalie blieb stehen, um aus dem Fenster zu schauen und zuzusehen, wie die T-Shirts dort drüben im Wind flatterten. „Danke noch mal für das Buch, Mrs Lee.“
    Mara schenkte Kaffee ein. „Ich wusste gar nicht, dass du Lyrik magst.“
    Natalie nahm den Becher. „So, wie Sie es rüberbringen, ist es interessant.“
    „Ich habe das ganze letzte Jahr auch so unterrichtet. Da hat es dich nie interessiert.“
    Natalie machte einen Schritt vom Tisch weg. „Letztes Jahr war letztes Jahr“, sagte sie dann. „Ist es nicht erlaubt, sich zu verändern?“
    Mara hätte sich ohrfeigen können. Wann hatte sie eigentlich angefangen, so um sich zu schlagen, sogar gegen ihre Schüler? Natalie nahm einen Lappen und fing an, die leere Kreideschale sauber zu machen, wobei sie Mara von der Seite Blicke zuwarf. Dieses Mädchen ging ihr wirklich unter die Haut.
    „Sei anders“, seufzte Mara. „Setz dein Zeichen. Genau das tun auch Dichter. Hab keine Angst, dass du ganz allein dastehst.“
    „Es gibt Schlimmeres, als allein zu sein.“ Natalie wischte noch fester.
    „Ach ja?“ Mara schluckte und der Kaffee war heiß und bitter.
    „Ja“, antwortete Natalie. „Wissen Sie, was noch schlimmer ist? Wenn Sie am Samstagmorgen aufwachen und nicht wissen, in wessen Bett Sie liegen; wenn Ihnen klar wird, dass Sie den Leuten, mit denen Sie Partys feiern, völlig egal sind, dass es denen nur darum geht, dass man ,cool‘ ist und mit ihnen abhängt – das ist noch schlimmer.“
    Mara drückte Natalie ihren Becher wieder in die Hand, den sie auf dem Tisch abgestellt hatte. „Das wäre schlimmer“, stimmte sie zu. „Entschuldige, dass ich so ironisch klinge.“
    „Ist schon in Ordnung. Ich habe inzwischen andere Freunde.“ Natalie setzte sich hin und rührte in dem Kaffee. „Sie machen dieses Jahr so einen traurigen Eindruck, Mrs Lee“, sagte sie schließlich. „Ich habe das bemerkt und andere Kids auch. Wir haben … ein paar von uns … haben für Sie gebetet.“
    Mara atmete tief durch. „Gebetet? … Für mich?“ Es missfiel ihr, dass sie so verletzlich klang, fast flehend.
    Natalie fuhr mit ihren Stiefelspitzen auf den Fugen des Fliesenbodens entlang. „Ich weiß, dass Sie glauben, ich wäre nicht unbedingt der klassische Jesus-Typ“, sagte sie. „Und ich nehme an, das war ich auch wirklich nicht.“ Sie blickte auf. „Aber ich bin einfach nicht von ihm weggekommen. Er … liebte mich, obwohl …“
    Obwohl … Mara sah auf ihre Hände, auf die weiße Linie an ihrem linken Ringfinger, die immer noch zu sehen war.
    Natalie sprach weiter, denn sie fasste jetzt langsam Mut. „Ich weiß nicht, was Sie glauben, Mrs Lee. Ich möchte nicht fromm klingen, aber Jesus ist der Einzige, der Sie niemals verlassen wird.“
    Mara stand einfach da, mit den Händen auf dem Terminplaner, während Natalie ganz vorsichtig und leise den Becher wieder auf den Tisch stellte. Sie schaffte es, „Danke“ zu sagen, als das Mädchen zur Tür hinausging. Mara stand auf, wachgerüttelt durch etwas, das größer war, als das Insel-Selbst, zu dem sie geworden war. Es war Jesus. Jesus, der sie nie verlassen hatte.
    Durchs Fenster waren die Backsteinmauern der Häuser zu sehen. Zwischen den Mauern waren Leinen gespannt mit flatterndem Weiß daran wie Weihnachtsschmuck.
    „Vor dem offenen Fenster
    ist die

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