Per Saldo Mord
meine Flitterwochen nur anders vorgestellt. Daß ich sie dazu verwenden soll, fremder Leute Papierkörbe durchzustöbern, raubt mir sämtliche Illusionen.«
»Tja, so ist das im Leben. Die Wirklichkeit entspricht eben niemals unseren Wunschträumen. Sie ahnen gar nicht, wie mir zumute ist.« Ich machte kehrt und steuerte auf die Tür zu.
4
Die Garage hatte ein Vorhängeschloß, und Mrs. Charlotte rückte nur widerstrebend den Schlüssel dazu heraus. Sie sagte, es sei der letzte, und ich dürfe ihn um keinen Preis verlieren. Meine Vorgängerin habe zwar die Wohnungsschlüssel dagelassen, den Schlüssel zur Garage jedoch mitgenommen. Ich versprach ihr, den Schlüssel wie ein Kleinod zu hüten und mir auf meine Kosten einen eigenen anfertigen zu lassen.
Der Wagen der Agentur stand vor dem Hotel. Ich klemmte mich hinters Steuer und bog in die Einfahrt ein. Vor der Garage stieg ich aus, machte das Schloß ab und öffnete den einen Torflügel. Im Innern war es dunkel und muffig. An der einen Längswand, direkt unterm Dach, befand sich ein kleines, vergittertes, völlig verschmutztes Fenster, durch das kaum Licht fiel. Ich knipste die Lampe an.
An den Wänden entlang war ein Sammelsurium von Gegenständen aufgestapelt, das frühere Mieter hier zurückgelassen hatten — eine alte Zeltbahn, einige leere Benzinkanister, eine verschrammte Radkappe, ein Wagenheber, mehrere abgenutzte, verschmierte Sitzbezüge, Ölkannen und ein von der Feuchtigkeit steif gewordenes Stück Sämischleder, dessen Zweck mir schleierhaft war. Mitten in der Garage stand ein funkelnagelneuer Koffer.
Ich betrachtete ihn von allen Seiten. Er war abgeschlossen und offenbar ein teures Stück, und man hatte ihn so auffällig hingestellt, daß er beim besten Willen nicht übersehen werden konnte. Ich dachte scharf nach. Evelyn Ellis hatte der Managerin mitgeteilt, sie könne das Appartement weitervermieten. Sie hatte die Wohnungsschlüssel zurückgegeben, den Garagenschlüssel jedoch behalten. Folglich würde sie im Laufe des Tages jemand vorbeischicken, damit er den Koffer abholte und ihr brachte oder an sie aufgab. Fragte sich nur, wann die betreffende Person aufkreuzen würde.
Ich machte die Tür zu, hängte das Schloß vor und gondelte langsam die Straße hinunter, bis ich ein Eisenwarengeschäft entdeckte. Dort erstand ich das beste, teuerste Vorhängeschloß, das sie auf Lager hatten, sowie zwei Schlüssel, raste zur Garage zurück, vergewisserte mich, daß der Koffer noch da war, und tauschte die Schlösser aus. Dann fuhr ich einen Block weiter bis zur nächsten Telefonzelle und rief Mrs. Charlotte an.
Als sie sich meldete, sagte ich: »Hier ist Mr. Lam. Ich habe die Absicht, wichtige Akten und Unterlagen in der Garage aufzubewahren, Mrs. Charlotte. Deshalb gefällt es mir nicht recht, daß meine Vorgängerin noch einen Schlüssel zur Garage besitzt. Ich werde ein neues Vorhängeschloß kaufen und Ihnen den einen Schlüssel überlassen. Hoffentlich haben Sie nichts dagegen?«
»Oh, das ist sehr rücksichtsvoll, Mr. Lam. Ich habe übrigens dem Zimmermädchen Bescheid gesagt. Es wird am Spätnachmittag vorbeikommen und die Wohnung in Ordnung bringen.«
»Danke, darüber wird sich meine Frau freuen.«
»Sie sind die Nacht über hier, Mr. Lam?«
»Ich glaube nicht. Ich werde vermutlich nach San Francisco fahren müssen, aber ich sage Ihnen auf jeden Fall vorher Bescheid. Meine Frau bleibt hier.«
Auf dem Weg zum Hotel machte ich vor einem Lederwarengeschäft halt, kaufte einen Koffer, der dem in der Garage wie ein Ei dem anderen glich, fuhr weiter zu meiner Wohnung und packte ihn voll Wäsche. Dann schrieb ich einen Brief und adressierte ihn an George Biggs Gridley. Er hatte folgenden Text:
Lieber Mr. Gridley!
Es tut mir sehr leid, daß wir einander in Las Vegas verfehlt
haben. In Los Angeles konnte ich Sie aus Zeitmangel nicht aufsuchen; aber ich hoffe das Versäumnis in San Francisco nachzuholen. Ich werde Sie im Golden-Gateway-Hotel anrufen.
Im übrigen bin ich überzeugt davon, daß wir uns in der Frage
der Besitzanteile einigen werden.
Ich unterzeichnete den Brief mit den Initialen L. N. M. und steckte ihn in die Seitentasche des Sportjacketts, das ich obenauf gelegt hatte. Dann schloß ich den Koffer ab, packte zwei Reisetaschen mit den Sachen, die ich in den nächsten Tagen brauchen würde, und fuhr ins Hotel zurück.
Die zwei Reisetaschen und mich selbst beförderte ich im Lift nach oben. Elsie hatte inzwischen den
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