Per Saldo Mord
erklären, wie die Verteilung des Gepäcks gehandhabt wird. Die Gäste kommen entweder im Taxi oder mit dem eigenen Wagen vorgefahren und laden ihr Gepäck draußen vor dem Hotel ab. Da übernimmt es der Portier und stapelt es in der Halle direkt neben der Drehtür auf. Während sich die Gäste am Empfangstisch eintragen und sich ein Zimmer anweisen lassen, stellen die Boys die Gepäckstücke in einer langen Reihe nebeneinander auf. Sobald ein Gast abgefertigt ist, ruft der Empfangschef: >Vor!<, und einer der Boys tritt vor, bekommt den Zimmerschlüssel, und der Chef sagt: >Führe Mr. Soundso auf Zimmer Nummer soundso!< Dann bezeichnet der Gast die Gepäckstücke, die ihm gehören, und der Boy trägt sie rauf in sein Zimmer.«
»Okay. Und wie war das mit der herrenlosen Aktenmappe?«
»Na, Sie wissen ja, Donald, was morgens in so einem Hotel für ein Rummel ist, wenn die Gäste in ganzen Wagenladungen vom Flughafen oder vom Bahnhof eintreffen. Dann häuft sich das Gepäck zu Bergen. Über Mittag wird’s ruhiger, und am Spätnachmittag fängt der gleiche Betrieb von vorn an. Na, und gestern, als das Gepäck verteilt und auf die verschiedenen Zimmer befördert worden war, I
blieb eben eine Aktentasche übrig. Anscheinend hatte ein Gast sie aus Versehen liegenlassen.«
»Weiter. Was hat man mit ihr gemacht?«
»Sie kam zu den Fundsachen. Es ist nicht zu fassen, Donald, was manche Leute alles vergessen. Die komischsten Dinge!«
»Hat sich schon jemand nach ihr erkundigt?«
»Nein, bisher nicht.«
»Schön, dann wollen wir sie uns mal näher betrachten.«
»Herrje, glauben Sie, daß die Aktenmappe wichtig ist?«
»Vielleicht. Alles, was auch nur ein bißchen aus dem Rahmen fällt, kann wichtig sein.«
»Übrigens, Donald, Sie sagten vorhin, Sie seien wider Willen aufgehalten worden. Wieso wider Willen? Ist irgendwas passiert?«
»Nein, nichts Besonderes. Die Polizei hat mich nur verhört.«
»Verhört! Warum?«
»Ach, sie bildete sich anscheinend ein, ich wüßte mehr als sie.«
»Mein Gott, Donald, und Sie sprechen so... so beiläufig darüber, als wäre überhaupt nichts dabei! Und jetzt diese geheimnisvolle Sache mit der Aktenmappe! Ich bin so aufgeregt, daß ich kaum Luft kriege. Sind Sie nicht wenigstens neugierig, Donald?«
Ich schüttelte lächelnd den Kopf. »So was gibt sich mit der Zeit.«
»Ja, wahrscheinlich. Sie müssen mich für eine ziemlich alberne Gans halten.«
»Keine Spur. Am Anfang ging’s mir genauso wie Ihnen. Kommen Sie. Wir gehen ins Hotel.«
Wir nahmen ein Taxi und ließen uns vor dem Hotel absetzen. Ernestine, die fast das gesamte Personal kannte, nahm mich stolz wie ein Pfau ins Schlepptau und lotste mich ins Büro des Portiers. »Er verwaltet die Fundsachen«, erklärte sie.
Der Portier musterte zuerst mich und betrachtete danach Ernestine mit Blicken, in denen sich Staunen und Bewunderung spiegelten. Anscheinend wurde ihm ganz plötzlich klar, daß er ihre Vorzüge bisher nicht richtig gewürdigt hatte.
»John«, sagte Ernestine, »mein Freund möchte gern die Aktentasche sehen, die gestern hier gefunden wurde. Oder ist sie etwa inzwischen abgeholt worden?«
Der Portier schüttelte den Kopf und brachte die Mappe hervor. »Verschlossen?« erkundigte ich mich.
Er nickte.
»Das ist doch weiter kein Hindernis, oder?«
»Wieso?« fragte er.
»Ich würde ganz gern mal einen Blick hineinwerfen.«
»Gehört sie Ihnen?«
»Vielleicht.«
»Oh, John kann sie bestimmt aufmachen«, meinte Ernestine. »Er versteht was von Schlössern und hat alle Sorten Schlüssel parat. Nicht wahr, John?« Sie sah ihn vertrauensvoll an.
Der Portier zog eine Schublade auf und wählte unter einem halben Dutzend Schlüsselringen einen aus, an dem nur Kofferschlüssel hingen. Beim dritten Versuch klickte das Schloß, die Aktentasche öffnete sich.
Ich beugte mich vor und blickte hinein. Sie hatte drei Fächer. Die beiden äußeren waren leer, im mittleren lagen ein blutbeflecktes Messer und ein blutbefleckter Geldgürtel, sonst nichts. Der Portier stieß einen Pfiff aus und wollte nach dem Messer greifen. Ich packte ihn am Handgelenk.
»Fassen Sie das Ding ja nicht an. Vielleicht sind Fingerabdrücke dran. Ein Jammer, daß die Tasche schon durch so viele Hände gegangen ist. Ernestine, ich mache Sie dafür verantwortlich, daß weder die Tasche noch ihr Inhalt berührt wird. Befestigen Sie eine Schnur am Henkel, damit wir die vorhandenen Fingerabdrücke nicht verwischen, verstanden?«
Sie
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