Percy Jackson Bd. 5 Die letzte Göttin
Mrs O’Learys Erscheinung nicht
umzuhauen schien. Er sah ungefähr so aus wie in meinem Traum –
mit Fliegerjacke, schwarzen Jeans und einem T-Shirt mit tan-
zenden Skeletten, wie eins dieser Bilder vom Tag der Toten. An seiner Seite hing sein Schwert aus stygischem Eisen. Er war erst zwölf, aber er sah viel älter und trauriger aus.
Er nickte mir zu, dann kraulte er Mrs O’Leary weiter die Ohren.
Sie schnupperte an seinen Beinen, als ob es außer Rib-Eye-Steaks nichts Interessanteres geben könnte. Als Sohn des Hades war er 81/396
wahrscheinlich an allen möglichen höllenhundfreundlichen Orten unterwegs gewesen.
Der alte Satyr sah nicht halb so zufrieden aus. »Könnte ir-
gendwer – was hat diese Kreatur aus der Unterwelt in meinem
Wald zu suchen!« Er schwenkte die Arme und trat von einem Huf
auf den anderen, als ob das Gras heiß wäre. »Du da, Percy Jackson!
Ist das dein Viech?«
»Tut mir leid, Leneus«, sagte ich. »So war doch der Name,
oder?«
Der Satyr verdrehte die Augen. Sein Fell war staubmausgrau und zwischen seinen Hörnern hing ein Spinngewebe. Sein Schmerbauch hätte ihn zu einem unbezwingbaren Autoscooter
gemacht. »Natürlich bin ich Leneus. Erzähl mir ja nicht, dass du ein Mitglied des Rates so schnell vergessen hast. Und jetzt ruf dieses Biest zurück!«
»WUFF!«, sagte Mrs O’Leary glücklich.
Der alte Satyr schluckte. »Mach, dass es weggeht. Wacholder,
unter diesen Umständen werde ich dir nicht helfen.«
Wacholder drehte sich zu mir um. Sie war auf dryadenhafte
Weise hübsch mit ihrem hauchdünnen lila Kleid und ihrem
Elfengesicht, aber ihre Augen waren vom Chlorophyll ihrer Tränen schon ganz grün.
»Percy«, schluchzte sie. »Ich habe ihn nach Grover gefragt. Ich weiß ganz einfach, dass etwas passiert ist. Er wäre nicht so lange weggeblieben, wenn er keine Probleme hätte. Ich hatte gehofft, Leneus könnte …«
»Ich hab es dir doch gesagt!«, fiel der Satyr ihr ins Wort. »Du bist ohne diesen Verräter besser dran.«
Wacholder stampfte mit dem Fuß auf. »Er ist kein Verräter. Er
ist der tapferste Satyr aller Zeiten, und ich will wissen, wo er ist.«
»WUFF!«
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Leneus’ Knie fingen an zu zittern. »Ich … ich beantworte keine Fragen, solange dieser Höllenhund an meinem Schwanz
herumschnuppert.«
Nico sah aus, als ob er sich alle Mühe gab, nicht vor Lachen zu platzen. »Ich kann mit ihr Gassi gehen«, bot er an.
Er stieß einen Pfiff aus und Mrs O’Leary sprang hinter ihm her auf die andere Seite der Lichtung.
Leneus schnaubte erbost und wischte sich die Zweige vom
Hemd. »Also, wie ich schon zu erklären versuchte, junge Dame, hat dein Liebster nicht einen einzigen Bericht geschickt, seit wir ihn ins Exil geschickt haben.«
»Ihr habt versucht , ihn ins Exil zu schicken«, korrigierte ich.
»Chiron und Dionysos haben das verhindert.«
»Pah! Die sind nur Ehrenratsmitglieder. Das war keine richtige Abstimmung.«
»Ich werde Chiron erzählen, dass Sie das gesagt haben.«
Leneus erbleichte. »Ich meinte doch nur … also hör mal, Jack-
son. Das hier geht dich nichts an.«
»Grover ist mein Freund«, sagte ich. »Er hat Sie nicht angelo-
gen, als es um Pans Tod ging. Ich habe es selbst gesehen. Sie hatten nur zu große Angst, um die Wahrheit zu akzeptieren.«
Leneus’ Lippen zitterten. »Nein! Grover ist ein Lügner, und es ist gut, dass wir ihn los sind. Ohne ihn sind wir besser dran.«
Ich zeigte auf die verwelkten Thronsessel. »Wenn alles so gut
läuft, wo stecken dann Ihre Freunde? Ihr Rat hat sich in letzter Zeit anscheinend nicht getroffen.«
»Maron und Silenus … ich … ich bin sicher, dass sie bald wieder hier sein werden«, sagte er. Aber ich konnte die Panik in seiner Stimme hören. »Sie brauchen nur ein wenig Zeit zum Nachdenken.
Es war ein sehr verwirrendes Jahr.«
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»Und es wird noch viel verwirrender werden«, versprach ich.
»Leneus, wir brauchen Grover. Sie müssen ihn mit Ihrer Magie
doch auf irgendeine Weise finden können.«
Das Auge des alten Satyrn zuckte. »Ich sage dir doch, ich habe nichts gehört. Vielleicht ist er tot.«
Wacholder würgte ein Schluchzen hinunter.
»Er ist nicht tot«, sagte ich. »So viel spüre ich immerhin.«
»Empathielinks«, sagte Leneus verachtungsvoll. »Überaus
unzuverlässig.«
»Dann forschen Sie nach«, drängte ich. »Suchen Sie ihn. Uns
steht ein Krieg bevor. Grover wollte die Naturgeister mobilisieren.«
»Ohne meine Erlaubnis. Und unser
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