Percy Pumpkin (Bd.1) - Mord im Schloss
Jason erwischen, können wir sie dem Inspektor vielleicht gleich als Verdächtige präsentieren«, überlegte Linda, die sich inzwischen offenbar auch nicht mehr auf das bloße Zusammentragen von Fakten beschränken wollte.
»Erst einmal wird er
uns
für verdächtig halten«, sagte John.
»Der Inspektor hat doch gesagt, dass er jeden, der das Schloss verlässt, festnehmen lassen wird. Und dass den Verdächtigen der Galgen droht.«
»So schnell wird in England keiner gehängt«, sagte Claire und wollte gerade die Tür zum Garten öffnen, als draußen auf dem Flur Schritte ertönten.
Rasch machte sie den anderen ein Zeichen, sich auf den Boden zu werfen. So robbten sie hintereinander um den Herd herum und verließen die Küche durch die Katzenklappe. Bei John mussten sie ein wenig schieben und zerren, aber schließlich schaffte er es.
Kaum war Percy als Letzter hinausgekrochen, betraten Jasper und drei Zimmermädchen die Küche. Offensichtlich hatte der Inspektor dem Personal erlaubt, das Frühstück zuzubereiten.
»Jetzt aber schnell«, flüsterte Claire. »Bestimmt wimmelt es hier gleich wieder von Polizisten und Verwandten.«
»Ich weiß gar nicht, ob ich mit meinem schlimmen Fuß überhaupt bis zum Darkmoor komme.« John stützte sich demonstrativ auf seinen Stock auf und fummelte mit der anderen Hand an seinem Verband herum.
»So schlimm kann dein
schlimmer Fuß
ja gar nicht mehr sein. In den letzten zwei Stunden hast du ihn jedenfalls mit keiner Silbe erwähnt.« Claire kniete sich hin und wickelte den Verband noch einmal fester um das Gelenk. »Das hält für eine Weile. Los jetzt, wir ziehen unsere dicken Winterstiefel und die Felljacken an. Dann nehmen wir den Seitenausgang und balancieren über den Steg«, sagte sie in einem Ton, der jede Widerrede im Keim erstickte.
Linda kannte im Gegensatz zu Cyril eine
wirklich
gute Abkürzung durch das Heckenlabyrinth, sodass sie schon nach weniger als zehn Minuten draußen auf der Ostseite des Gartensstanden. Über einen kleinen Wall gelangten sie auf den Golfplatz.
Percy hatte zwar noch nie Golf gespielt, aber er wusste doch so viel darüber, um sich zu wundern, dass die Bahnen so nah an einem gefährlichen Moor angelegt worden waren.
»Tja, mein Lieber, unser Golfplatz ist nichts für Anfänger«, sagte Claire stolz.
»Vor zwei Jahren sind Onkel Nigel und Tante Gwendoline auf Bahn neun eingesunken«, erzählte John. »Man hat noch versucht, sie mit einem Putter hinauszuziehen, aber das hat nicht geklappt. Sie sollen ziemlich gekreischt haben, aber noch schlimmer war es, als man nur noch ein Blubbern gehört hat, nachdem ihre Köpfe untergetaucht waren.«
»Ach was«, winkte Linda ab, »viel schlimmer war es, als vor zwanzig Jahren die ganze Familie von Sir Ashley beim Suchen eines Balls im Moor verschwunden ist. Sie sollen sich verirrt haben, und man weiß nicht, ob sie versunken oder verhungert sind.«
»Verdurstet«, sagte John. »Zuerst verdurstet man.«
»Klugschwätzer.« Claire gab ihrem Cousin einen Schubs.
Percy räusperte sich. »Sagt mal, gehen wir nicht gerade Bahn neun entlang?«
»Natürlich«, sagte Claire und marschierte entschlossen weiter.
Inzwischen waren sie am Ende der Bahn angekommen. Im Loch steckte eine kleine Stange, an deren Ende ein nasses Fähnchen von heftigen Windböen hin und her gewehtwurde. Warntafeln mit einem orangefarbenen Totenkopf waren am Rand des Grüns aufgestellt. »Durchgang lebensgefährlich. Hier beginnt das Darkmoor. Eltern haften für ihre Kinder«, stand darauf.
»Wie gut, dass keine Eltern hier sind, um für uns zu haften«, sagte Claire und winkte den anderen, ihr zu folgen.
Vor ihnen lag eine Landschaft, die wahrscheinlich auch im schönsten Sonnenlicht düster und abweisend gewirkt hätte.
Unter dem bleigrauen Himmel, der sich jetzt über ihnen erstreckte, sah sie aus wie ein fremder Planet, auf dem Menschen keine zwei Stunden überleben konnten. Struppige Büsche, wilde Heidefelder mit abgestorbenen Bäumen und dunkle Moorflächen, deren Düsternis sogar die Schwärze des Schlossgrabens übertraf, reichten bis zum Horizont. Dazwischen befand sich ein Geflecht aus schmalen Trampelpfaden und verwitterten Holzbohlenwegen.
»Wie sollen wir uns denn da unten zurechtfinden?«, fragte Linda. »War vielleicht doch nicht so schlau, einfach draufloszumarschieren. Wir hätten uns viel ordentlicher vorbereiten müssen.«
»Du immer mit deiner Ordnung«, beschwerte sich Claire. »Ich bin ordentlich
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