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Perdido - Im Bann des Vampirjägers

Perdido - Im Bann des Vampirjägers

Titel: Perdido - Im Bann des Vampirjägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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beiden Säcke plumpsten einen Meter vor der Ziellinie zu Boden. Ein Raunen ging durch die Zuschauer und Hugo grinste von einem Ohr zum anderen.
    Vor dem Eingang zur Mannschaftskajüte lag eine struppige graue Ratte. Die Nagezähne ragten aus dem offenen Maul, die Beine zuckten ein paarmal. Dann kam Herkules aus der Tür gesprungen. Er rieb sich die Vorderpfoten. Seine großen, stolz aufgestellten Ohren leuchteten von der Anstrengung knallrot. Er legte sich den wurmähnlichen Schwanz der Ratte über die Schulter, schleifte das reglose Vieh quer übers Deck und legte es Hugo zu Füßen.
    Sebastian gaffte die dicke Ratte und den kleinen schwarz-weißen Mäuserich mit offenem Mund an. Nun stellte Herkules die Hinterpfote auf seine Beute wie ein siegreicher Krieger, der über seinen gefallenen Gegner triumphiert.
    »Ist die Ratte tot?«
    »Nein, nein!« Hugo bückte sich rasch nach Herkules, der zu einem Freudentanz um sein Opfer ansetzte, und steckte ihn in die Wamstasche. »Ich glaube, sie ist nur bewusstlos. Sie hatten gesagt, dass Sie einen Rattenfänger suchen, keinen Rattentöter.«
    »Und was soll ich deiner Meinung nach unterwegs mit den Viechern machen, die dein Mäuserich … äh … fängt?«
    »Die können Sie doch in ein leeres Fass sperren und in Frankreich wieder freilassen.«
    Sebastian überlegte, dann grinste er zufrieden. »Genau … dann würden wir sie sozusagen … exportieren, was?«
    »Richtig. Ein kleines Mitbringsel aus Englands Gossen, natürlich nur das Pestmöglichste.«
    »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte Sebastian. »Du kannst so lange an Bord bleiben, wie dein Mäuserich unseren Proviant bewacht. Aber sobald wir in Frankreich angelegt haben, musst du dich wieder allein durchschlagen. Matrose Lugger! Zeigen Sie dem Jungen die Mannschaftsunterkunft.«
    »Vielen Dank, Sir«, erwiderte Hugo wohlerzogen.
    »Deinen Dank kannst du dir schenken. Wenn auch nur eine einzige Ratte an unseren Proviant geht, gehst du achtkantig über Bord!«
    Matrose Lugger zeigte Hugo den fensterlosen stickigen Raum, in dem die Besatzung untergebracht war. Herkules kletterte aus Hugos Tasche und dem Jungen auf die Schulter.
    »Warum hast du vorhin so lange gebraucht?«, wollte Hugo wissen.
    »Du wolltest wohl sagen: ›Bravo, Herkules, alter Kumpel!‹ Oder bringst du’s nicht über die Lippen? Das kann ja wohl nicht soschwer sein! Ich meine, ohne mich dürftest du ja jetzt wohl kaum mitfahren. Ich möchte mal sehen, wie du dich anstellst, wenn du in nicht mal einer Minute eine Ratte fangen sollst, ha! Außerdem habe ich höchstens zehn Sekunden gebraucht – der alte Bursche war unter einer Decke eingedöst.«
    »Und was hast du dann die übrigen neunundvierzig Sekunden lang gemacht, während ich um mein Leben gebangt habe?«
    »Eine Kleinigkeit gegessen.«
    Hugo war fassungslos. »Wie bitte?«
    »Jawohl, ich habe mich ein wenig gestärkt«, bestätigte Herkules.

15. Kapitel
    E
s war eine mondlose Nacht. Hugo saß an Deck der Eisenfaust und lauschte den gegen den Rumpf schwappenden Wellen. Der Himmel war sternenklar, und die unzähligen Lichtpünktchen am schwarzen Firmament ließen ihn an Onkel Walter denken. Auf ihrer letzten Reise hatten sie zusammen an Deck gesessen, den Sternenhimmel bewundert und Onkel Walter hatte seinem Neffen die Sternbilder beigebracht. Auf einmal fühlte sich Hugo sehr allein. Ob Onkel Walter, wo immer er sich jetzt befand, auch zum Nachthimmel emporblickte? Wenn die Banditen gleich nach der Entführung in See gestochen waren, mussten sie inzwischen längst in Frankreich angekommen sein. Hugo stellte sich vor, wie die Männer zu Pferde über Frankreichs weite Ebenen preschten. Wie sollte er sie bloß einholen?

    Sechs Meilen vor Dieppe stapften fünf Männer über einen schlammigen Feldweg.
    »Wann kommt denn endlich der vermaledeite Stall?«, murrte der eine. »Wir latschen jetzt schon zwei Stunden durch die Gegend und ich hab noch nicht mal irgendwo ein Hufeisen gesehn!«
    »Frag mich nicht«, antwortete ein anderer achselzuckend. »Pierre hat gemeint, wir sollen vom Hafen aus nach Südosten gehn. Man kann’s nicht verfehlen, hat er gesagt.«
    »He du, Herr Kartenfachmann!« Der erste Mann zog sein Schwert und richtete es auf einen Dritten. »Bist du sicher, dass wir nach Südosten gehn?«
    Der Dritte hob beide Hände. Nur die eine Hand steckte in einem braunen Lederhandschuh.
    »Nach Südosten? Lieber Himmel – ich dachte, ihr hättet Süd westen gesagt! Ihr nuschelt aber auch

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