Perdido - Im Bann des Vampirjägers
krumm. Meine Methode, mich als Kapitän durchzusetzen, lautet, Angst und Schrecken zu verbreiten. Trotzdem muss ich gestehen … dass ich dich irgendwie ins Herz geschlossen habe, Hugo. Du bist ein mutiges Bürschchen und eine echte Abenteurernatur. Solche wie dich könnte die Welt noch mehr gebrauchen, das steht mal fest.«
»Danke schön.«
Der Pferdekarren war einfach eine auf vier dicke Holzräder montierte offene Kiste. Zwei seitlich angebrachte lange Holzstangen waren am Sattel des plumpen Shetlandponys befestigt. Hugo warf seinen Tornister in den Karren, kletterte auf die Sitzbank und ergriff die Zügel.
»Viel Glück auf Ihrer Forschungsreise, Käpt’n Tumbledown-Smythe«, sagte er. »Hoffentlich kommen Sie wohlbehalten in China an und finden ein wundersames Land voller Seidenstoffe und Gewürze vor, so wie es immer beschrieben wird. Aber wer weiß … vielleicht entdecken Sie ja, wenn Sie noch weitersegeln, einenbis jetzt völlig unbekannten Erdteil. So entschlossen, wie Sie sind, gelingt Ihnen bestimmt alles, was Sie sich vorgenommen haben.«
»Dasselbe gilt für dich, Kleiner«, gab Sebastian zurück. Dann brüllte er aus voller Kehle: »Mach dich endlich aus dem Staub, du lästiger Knirps, sonst zermalme ich dich zu ebensolchem!«
»Bin ja schon weg«, erwiderte Hugo und duckte sich scheinbar verängstigt. »Ich weiß, wann ich nicht mehr erwünscht bin.«
»Kannst du überhaupt kutschieren?«, erkundigte sich Herkules.
»Ein bisschen.« Hugo nahm die Zügel hoch. »Damit meine Eltern die Miete bezahlen konnten, habe ich früher mal eine Weile als Stallbursche gearbeitet. Da durfte ich ab und zu in der Koppel ein bisschen reiten. Auf geht’s!«
Er ruckte an den Zügeln und schnalzte vernehmlich mit der Zunge. Das Pony rührte keinen Huf, sondern wandte nur träge den Kopf und bedachte Hugo mit einem verächtlichen Blick.
»Ich glaube, der Bursche mag dich«, sagte Herkules. »Schön, dass ihr beide euch so schnell angefreundet habt.«
»Sehr witzig.«
Herkules winkte dem Pony. »Hallo, Herr Pferd! Darf ich vorstellen – ich bin Herkules und das da ist Hugo.«
Das Pony sah ihn ausdruckslos an. Die lange schokoladenbraune Mähne wehte ihm um den hellbraunen Hals.
Herkules ließ sich nicht entmutigen. »Und wie heißt du?«
Hugo lachte und zerwuschelte Herkules liebevoll das Fell. »Wann kriegst du endlich in dein Köpfchen, dass hier außer dir kein anderes Tier sprechen kann?«
»Dann müssen wir ihm eben einen Namen geben«, erwiderte Herkules. »Wie wär’s mit Karamell?«
»Meinetwegen. Hü, Karamell!« Hugo schnalzte noch einmal und ruckte an den Zügeln.
Als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, rollten sie durch eine flache grüne Landschaft. Gemächlich wiederkäuende Kühesprenkelten die Wiesen. Hugo hatte eine Landstraße eingeschlagen, die in ost-südöstlicher Richtung nach Bayern führte. Herkules hockte mit aufgestellten Ohren neben ihm auf dem Kutschbock.
Der Mäuserich sah sich bewundernd um. »Ich bin tatsächlich in Frankreich!«
»Oui!«, pflichtete ihm Hugo bei.
»Hat dich was gestochen, oder warum quiekst du auf einmal?«
»Ich quieke nicht. ›Oui‹ heißt auf Französisch ›Ja‹.«
»Ach so. Und was heißt ›Klugscheißer‹ auf Französisch?«
Hugo schnalzte mit den Zügeln und Karamell fiel in leichten Trab. Seine dumpfen Hufschläge trommelten einen flotten Rhythmus auf den Lehmboden, sein Schwanz wippte im Takt.
Bald machte sich bemerkbar, dass die Räder des Karrens ziemlich eierten und das ganze Gefährt tüchtig ruckelte und schwankte. Je schneller sie fuhren, desto kräftiger wurden die beiden Fahrgäste durchgeschüttelt.
»Tumbledown-Smythe hat mit seiner Behauptung, der Karren sei ein bisschen klapprig, nicht übertrieben, was?«, sagte Hugo und hielt sich mit der freien Hand fest.
»Ich würde sagen, er hat noch untertrieben!« Herkules’ Ohren flatterten und er hüpfte auf dem Kutschbock auf und nieder wie ein Kind auf der Wippe. »Ich bin schon ganz seekrank.«
»Keine Bange. Nur noch drei Monate und wir sind am Ziel.«
»Willst du mich veräppeln? Wir sind doch wohl nicht drei Monate unterwegs!«
»Na ja, vielleicht nicht. Vielleicht sind’s auch vier.«
»Jetzt noch mal der Reihe nach. Wir schlagen uns mithilfe von Onkel Walters Karte nach Dämonien durch, entschlüsseln Marcellos Geheimschrift, finden das bislang unentdeckte Schloss von Mephisto und … ach ja, wir entrinnen auf dem Weg durch das Gebirge allen möglichen
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