Perdido - Im Bann des Vampirjägers
Waffe sinken. »Moment mal. Du hast also weder etwas gesehen noch etwas gehört, hast es aber für nötig befunden,uns zu wecken und uns einen Mordsschrecken einzujagen, indem du behauptest, wir bekämen Besuch?«
»Es war nur so eine Ahnung … Mein sechster Sinn sozusagen.«
»Ich habe ja schon gehört, dass Katzen neun Leben besitzen, aber dass sie auch noch den sechsten Sinn haben, ist mir neu.« Herkules kletterte an Hugos Kleidung hinunter auf die Erde und rollte sich wieder in seiner Schneekuhle zusammen. »Gute Nacht, Leute. Falls euch euer sechster Sinn noch mehr Ungeheuer ankündigt, lasst mich bitte weiterschlafen. Ich lasse es drauf ankommen.«
Hugo hielt den Blick auf die Bäume geheftet. »Bist du sicher, dass da jemand ist?«
Kristall spähte ins Dunkel. »Tja, anscheinend habe ich mich geirrt.« Es hörte sich an, als wunderte sie sich selbst darüber. Ihr Fell lag wieder glatt an. »Tut mir leid.«
Hugo machte Anstalten, sein Schwert wegzustecken. »Schon gut. Vorsicht ist die Mutter der …«
Da schnitt ihm ein grässliches Geheul das Wort ab. Hugo fuhr herum, zückte abermals sein Schwert, machte ein paar Schritte in Richtung Wald und ließ den Blick über den Berghang wandern.
Vor der vom Mond bläulich beschienenen Schneefläche zeichnete sich eine große Gestalt ab, die auf sie zugerannt kam. Als die Gestalt näher kam, erkannte Hugo einen Mann mit hochgezogenen breiten Schultern und schmalen Hüften. Das grobe Leinenhemd war zu kurz, sodass man den behaarten Bauch sehen konnte, die braune Kniebundhose ließ die langen, sehnigen Waden frei. Die riesigen Plattfüße waren dicht mit schwarzen Haaren bewachsen. Die lange Mähne wehte hinter ihm her, sein zur Grimasse verzogenes Gesicht war hinter dem verfilzten Bart kaum zu erkennen.
Der Mann rannte ziemlich unbeholfen, immer wieder stolperte er und krabbelte dann ein Stück auf allen vieren weiter. Trotzdem kam er beängstigend rasch näher.
»Wer ist das denn?«, fragte Hugo erschrocken.
»Schwer zu sagen«, erwiderte Kristall. »Ist es überhaupt ein Mensch?«
»Jedenfalls hattest du recht. Wir bekommen tatsächlich Besuch.«
»Wenn’s nur das wäre …«, entgegnete die Katze seufzend.
»Wie jetzt?« Hugo drehte sich kurz um und sah, dass Kristall auf ihn zukam und sich ängstlich an seine Beine drückte. Sie machte einen Buckel und sträubte das Fell. Etwa zehn Meter vor ihnen schienen zwanzig Augen wie leuchtende kleine Planeten über der Erde zu schweben. Die Augen bewegten sich paarweise voran und kamen immer näher.
»Und was ist das nun wieder?«, wollte Hugo wissen.
»Wölfe. Und keine besonders netten.«
Hugo wandte sich dem Gebirge zu. Der verwilderte Fremde war schon so nah, dass man seine eisblauen Augen glühen sah. Er fuchtelte wild mit den mageren Armen.
»Ob das Mephisto ist?«, überlegte Hugo laut.
Auch Kristall erlaubte sich noch einen kurzen Blick in Richtung Berghang. »Das glaube ich eigentlich nicht«, erwiderte sie sachlich. »Als Katze möchte ich behaupten, dass sich ein Vampanter entschieden anmutiger bewegt.«
In dem Versuch, die von beiden Seiten heranrückenden Angreifer im Blick zu behalten, wandte Hugo den Kopf hin und her. Die Wölfe hatten sich zwischen den Bäumen hervorgewagt. Sie hielten die Köpfe gesenkt, die Zungen hingen ihnen aus den Mäulern.
Der Mann auf dem Hang war nur noch wenige Meter entfernt.
Hugo packte den Schwertknauf fester.
Die Wölfe stürmten knurrend und geifernd los.
Der Mann rannte noch schneller.
Zwei Wölfe sprangen Hugo mit gefletschten Zähnen und gierig heulend an.
Der Mann stieß sich aus vollem Lauf mit einem Fuß von einem umgestürzten Baum ab, sprang hoch in die Luft, knurrte dabei bösartig und schlug wild mit den langen, dürren Armen um sich.
29. Kapitel
W
ie in Zeitlupe sah Hugo die Wölfe von der einen und den verwilderten Mann von der anderen Seite auf sich zuspringen. Der Mann trat im Sprung mit den behaarten Beinen um sich und warf die Arme nach vorn. Die Wölfe streckten hechelnd die krallenbewehrten Pfoten aus.
Das ist das Ende, dachte Hugo. Er duckte sich, sprach ein kurzes Stoßgebet … und sah aus dem Augenwinkel, wie der wilde Mann über seinen Kopf hinwegsprang.
Der Mann breitete beide Arme aus und packte die beiden Wölfe in letzter Sekunde, ehe sie Hugo zerfleischen konnten. Er hielt die Tiere fest am Nackenfell gepackt, und alle drei rollten als jaulendes, knurrendes Knäuel aus Fell und Zähnen den verschneiten Abhang
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