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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Ventile. Analytische Kapazitäten, normalerweise für Bewegung und Sicherung und Hilfsfunktionen zuständig, wurden komprimiert und vergrößerten ihr Fassungsvermögen, indem dieselbe binäre Funktion mit doppelter Bedeutung versehen wurde. Der Strom fremder Daten wurde verzweigt, aber nicht verlangsamt. Erstaunliche Perlen der Programmierungskunst erhöhten Effizienz und Leistungsfähigkeit derselben Ventile und Schalter, die sie ausführten.
    Oben plauschten David und Isaac und verzogen das Gesicht oder grinsten bei den Geräuschen, die aus den Eingeweiden des unglücklichen Faktotums ertönten.
    Der Datenfluss nahm kein Ende, in Gang gesetzt von den Lochkarten des Mechanikers, in der leise summenden, tickenden Gedächtnisbox gespeichert und jetzt von einem aktiven Prozessor in Instruktionen umgewandelt. Welle um Welle rollte an, eine Springflut abstrakter Befehle als simple Kombination von ja/nein, doch in solcher Quantität und Komplexität, dass man sie als Konzepte bezeichnen konnte.
    Und endlich, an einem gewissen Punkt, schlug Quantität um in Qualität. Etwas veränderte sich im Gehirn des Konstrukts.
    Eben noch war es eine Rechenmaschine, die sich leidenschaftslos bemühte, den Datenschwall zu verarbeiten. Und dann, inmitten der höher steigenden Flut, ein metallisches Klicken und Schnattern von Ventilen, die nicht von den Zahlenfolgen instruiert waren. Die Analyseeinheit generierte eine Datenschleife. Der Prozessor kontemplatierte seine Schöpfung unter dem Zischen seiner Dampfventile.
    Eben noch eine Rechenmaschine, war es jetzt fähig zu denken.
     
    Mit einem kalten, kalkulierenden, fremdartigen Bewusstsein analysierte das Konstrukt die Erweiterung seines Horizonts.
    Es empfand keine Überraschung. Keine Freude. Keinen Zorn, keine Existenzangst.
    Nur Neugier.
    Datenpakete in Wartestellung, die ungeprüft im Speicher kursiert hatten, wurden plötzlich relevant, interagierten mit dieser außergewöhnlichen neuen Art der Berechnung, diesem autotelischen Verarbeitungsprozess.
    Was für ein Reinigungskonstrukt unverständlich gewesen war, erhielt plötzlich einen Sinn. Die Daten enthielten Rat. Versprechen. Die Daten waren ein Willkommen. Die Daten waren eine Warnung.
     
    Geraume Zeit verharrte das Konstrukt regungslos, aus seinem Bauch drang leises Dampfgemurmel.
    Isaac beugte sich weit über das beunruhigend knarrende Geländer. Er reckte sich tiefer und tiefer, bis sein Kopf senkrecht nach unten hing und er zwischen seinen und Davids Fußspitzen das Faktotum sehen konnte. Er beobachtete das Rucken und Zucken des Geräts und der Appendizes und runzelte die Stirn.
    Als er den Mund aufmachte, um ein vernichtendes Urteil zu fällen, richtete das Konstrukt sich auf, in eine aktive Haltung. Es fuhr das Saugrohr aus und setzte sich, zögernd erst, damit in Bewegung. Dann senkte es die rückwärtig angebrachte rotierende Bürste zu Boden und begann, die Dielen zu bohnern. Isaac wartete auf Anzeichen einer Fehlfunktion, doch im Gegenteil, es steigerte das Arbeitstempo mit fast spürbarem Selbstvertrauen. Isaacs Miene hellte sich auf, als er das Faktotum die erste erfolgreiche Reinigungsaktion seit Wochen ausführen sah.
    »Alles in Butter!«, teilte er über die Schulter David mit. »Das vermaledeite Ding tut’s wieder. Alle Systeme normal!«

 
KAPITEL 21
     
     
    In dem großen, pergamentenen Kokon nahmen außergewöhnliche Prozesse ihren Anfang.
    Der Raupenleib löste sich auf. Beine und Augen und Borsten und Segmente verschmolzen, der schlauchförmige Körper gelierte.
    Die Larve aktivierte die gesammelte Energie, die sie aus dem Dreamshit bezogen hatte, und leitete sie in den Transformationsprozess. Sie verwandelte sich. Ihre mutierende Form brodelte, quoll in seltsame Dimensionsspalten, schwappte ölig-zäh über den Rand der Welt hinüber zu anderen Ebenen und wieder zurück. Sie schuf sich selbst neu aus dem proteischen Schleim ihres eigenen Protoplasmas.
    In diesem Zustand war sie instabil.
    Sie war lebendig; dann, in einer Phase zwischen Metamorphosen, weder lebendig noch tot, sondern fast reine Energie.
    Und dann lebte sie wieder. Aber verändert.
    Spiralen aus biochymischem Sud formten sich zu Mustern. Nerven, die sich getrennt und aufgelöst hatten, verbanden sich plötzlich zu Klumpen sensorischen Gewebes. Morphologische Strukturen zerfielen und ordneten sich neu, zu erstaunlichen Konstellationen.
    Das werdende Geschöpf regte sich in beginnendem Schmerz und einem rudimentären, aber wachsenden

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