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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Was glaubst du? Doktor Barbile ist vor vier Tagen aus ihrer Wohnung ausgezogen und wurde seither in dieser weniger noblen Unterkunft gesichtet. Kaum drei Straßen entfernt von ihrem alten Domizil. Die Frau hat keine Fantasie. He …« Er schlug Isaac gegen den Arm und zeigte auf die andere Straßenseite. »Da ist unser Mann.«
    Gegenüber löste sich eine hünenhafte, massige Gestalt aus den Schatten. Der Neuankömmling bedachte Derkhan und Isaac mit einem finsteren Blick, bevor er Lemuel mit einem absurd schelmischen Nicken begrüßte.
    »Alles senkrecht, Girrvogel?«, dröhnte er. »Was liegt an?«
    »Brüll nicht so«, zischte Lemuel. »Was hast du an Artillerie dabei?«
    Der Hüne legte den Finger an die Lippen und bedeutete so, dass er verstanden hatte. Er hielt eine Seite des Jacketts auf und ließ zwei enorme Feuersteinpistolen sehen. Isaac prallte bei dem Anblick zurück. Auch er und Derkhan waren bewaffnet, aber nicht vergleichbar mit diesem Kaliber. Lemuel nickte zufrieden.
    »Exzellent. Vielleicht müssen wir gar keinen Gebrauch davon machen, aber sicher ist sicher. Gut. Du bist stumm.« Der große Mann nickte. »Und taub. Du hast heute Nacht keine Ohren.« Der Mann nickte wieder. Lemuel wandte sich an Isaac und Derkhan. »Damit eins klar ist. Ihr wisst, was ihr die Tante fragen wollt. Wir bemühen uns so weit wie möglich, kein Aufsehen zu erregen. Doch wir haben Grund zu der Annahme, dass auch die Miliz an der Sache interessiert ist, das heißt, wir können nicht herumtändeln. Falls die Dame nicht kooperiert, helfen wir ihr auf die Sprünge, klar?«
    »Ist das Brutalo für Folter?«, fragte Isaac scharf. Lemuel musterte ihn mit einer mokant hochgezogenen Braue. »Nein. Und halt mir keine Moralpredigten – du bist derjenige, der für diese Aktion bezahlt. Wir haben keine Zeit, die Informationen mit handverlesenen Reiherfedern aus ihr herauszukitzeln – also werde ich nicht dulden, dass sie sich ziert. Irgendwelche Kommentare? Nein? Na prima. Wardock Street ist gleich hier rechts hinunter.«
    Auf ihrem Weg durch die rückwärtigen Gassen begegnete ihnen keine Menschenseele. Jeder bewegte sich auf seine eigene Art: Lemuels Handlanger ging mit festen Schritten und furchtlos, scheinbar unberührt von der bedrückenden Atmosphäre; Lemuel selbst mit vielen Seitenblicken in dunkle Hauseingänge, und Isaac und Derkhan mit nervöser, beklommener Hast.
    Vor Barbiles Tür in der Wardock Street blieben sie stehen. Lemuel winkte Isaac heran, aber Derkhan drängte sich nach vorn.
    »Ich mache das«, sagte sie flüsternd, aber in bestimmtem Ton. Die anderen machten ihr Platz, traten zur Seite, wo sie nicht gleich zu sehen waren. Derkhan zog an der Klingelschnur.
    Lange Zeit rührte sich nichts. Dann kamen zögernde Schritte eine Treppe hinunter und näherten sich der Tür. Dicht davor blieben sie stehen und man hörte nichts mehr. Derkhan wartete, bedeutete den anderen, ruhig zu bleiben. Endlich ließ sich hinter der Tür eine ängstliche Stimme vernehmen.
    »Wer ist da?«
    Derkhan sprach schnell und leise. »Dr. Barbile, mein Name ist Derkhan. Wir müssen sehr dringend mit Ihnen reden.«
    Isaac schaute sich um, ob in irgendwelchen Fenstern schon Lichter angingen. Aber offenbar war man bis jetzt noch nicht auf sie aufmerksam geworden.
    Magesta Barbile hinter ihrer Tür stellte sich stur. »Ich – ich weiß nicht recht. Es ist schon ziemlich spät …«
    »Dr. Barbile – Magesta …«, sagte Derkhan geduldig. »Sie müssen uns hereinlassen. Wir können Ihnen helfen. Machen Sie auf. Schnell.«
    Eine weitere Minute verging, dann drehte sich ein Schlüssel und die Tür wurde einen Spalt geöffnet. Derkhan wollte die Gelegenheit nutzen und sich an Magesta Barbile vorbeidrängen, doch plötzlich erstarrte sie. Barbile hatte eine Flinte. Die Wissenschaftlerin fühlte sich sichtlich unwohl damit, doch immerhin, die Mündung zeigte genau auf Derkhans Bauch.
    »Ich weiß nicht, wer Sie sind …«, begann sie schrill, doch ehe sie weitersprechen konnte, griff Lemuels großer Freund, Mr. X, mühelos und ohne Hast um Derkhan herum, fasste nach der Flinte und schob dabei den Handballen über die Pulverpfanne, so dass kein Schuss losgehen konnte. Barbile kreischte und drückte ab. Der Schmerz entlockte Mr. X ein leises Zischen, als der Hammer auf die gespannte Haut zwischen Daumen und Zeigefinger schlug. Er stieß die Flinte nach hinten, Barbile musste loslassen, stolperte zurück und fiel auf die Stufen der Treppe am Ende des

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