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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Frühlingserwachen, während ich endlos nach Norden wanderte, dass ich nicht nach Vervollständigung strebte, sondern nach Auflösung. Ich würde meinen Körper in die Hut eines Neugeborenen geben und ruhen.
     
    Ich war von härterem Stoff gewesen, als ich den ersten Schritt auf diese Hügel und Ebenen tat. Ich verließ Myrshock, wo mein Schiff vor Anker gegangen war, ohne eine einzige Nacht dort verbracht zu haben. Es ist eine hässliche Hafenstadt, bevölkert von so vielen meiner Art, dass ich mich bedrückt fühlte.
    Ich durcheilte die Straßen, suchte nichts anderes als Proviant und die Bestätigung, dass ich recht daran tat, nach New Crobuzon zu gehen. Ich kaufte Salbe für meinen wunden Rücken, fand einen Arzt, der ehrlich genug war zuzugeben, dass es in Myrshock niemanden gab, der mir helfen konnte. Ich gab meine Peitsche einem Kaufmann, der mich fünfzig Meilen weit auf seinem Wagen mitfahren ließ, bis in die Täler. Er wollte nicht mein Geld, nur meine Waffe.
    Ich war begierig das Meer hinter mir zu lassen. Das Meer war ein Zwischenspiel. Vier Tage Überfahrt auf einem schwerfälligen, ölrußigen Schaufelraddampfer, und nur am Schlingern und Stampfen und dem Klatschen der Wellen gegen die Bordwand merkte ich, dass wir uns bewegten. Ich konnte nicht an Deck gehen. Unter dem weiten Himmel über den Wassern hätte ich mich beengter gefühlt als je während der gleichförmigen Tage in meiner stickigen Kabine. Ich versteckte mich vor den Möwen und den Fischadlern und den Albatrossen. Ich blieb im Bauch des Schiffes, in meinem dreckigen Gatt hinter dem Abort.
    Und vor dem Meer, als ich noch im Fieber brannte und tobte und meine Wunden noch bluteten, war Shankell, die Kaktusstadt. Die Stadt mit vielen Namen. Sonnenjuwel. Oase. Borridor. Salzloch. Wendelturm. Solarium. Shankell, wo ich kämpfte und focht in den Fleischgruben und den Dornendrahtkäfigen, wo ich zerfleischte und zerfleischt wurde, des Nachts wütete wie ein Kampfhahn und tags Groschen hortete. Bis zu dem Tag, als ich gegen den Barbarenprinzen antrat, der verkündet hatte, aus meinem Garudaschädel einen Helm für sich machen zu wollen, und siegte, mit letzter Kraft das Schicksal wendete, obwohl Blut aus meinem Leib stürzte wie ein Wasserfall. Mit einer Hand die Eingeweide zurückhaltend, riss ich mit der anderen seine Kehle auf. Ich gewann sein Gold und seine Vasallen, die ich von ihrem Treueeid entband. Das Gold erkaufte mir Heilung und Passage auf einem Kauffahrteischiff.
    Ich machte mich auf, den Kontinent zu durchqueren, um wieder ganz zu werden.
    Die Wüste kam mit mir.

 
     
     
TEIL 3
     
     
Metamorphosen

 
KAPITEL 18
     
     
    Die Frühlingswinde wurden wärmer. Die Treibhausluft über New Crobuzon war mit Elektrizität geladen. Die städtischen Meteoromanten im Tar-Wedge-Wolkenturm notierten Zahlen von kreiselnden Skalenscheiben und rissen Papierstreifen von hektisch kritzelnden Barographen. Sie spitzten die Lippen und schüttelten die Köpfe.
    Sie diskutierten mit gedämpfter Stimme über den ungewöhnlich heißen und feuchten Sommer, der sich ankündigte. Sie hämmerten gegen die mächtigen Rohre der Aeromorphmaschine, die im Innern des hohlen Turms aufragten wie gigantische Orgelpfeifen, oder Gewehrläufe für ein Duell zwischen Himmel und Erde.
    »Verdammt nutzloses, blödes Ding«, brummten sie griesgrämig. Es wurden halbherzige Versuche gemacht, die Motoren im Keller anzuwerfen, aber sie hatten sich seit 150 Jahren nicht gerührt, und es lebte niemand mehr, der noch wusste, wie man sie in Gang setzen konnte. New Crobuzon musste mit dem Wetter vorlieb nehmen, wie es die Götter diktierten, oder die Natur oder der Zufall.
    Im Zoo von Canker Wedge regten sich die Tiere unruhig unter dem Einfluss des Jahreszeitenwechsels. Die Paarungszeit ging zu Ende und das rastlose Sichwinden brünstiger, durch Gitter getrennter Leiber, hatte etwas nachgelassen. Die Wärter waren ebenso erleichtert wie ihre Schützlinge. Der geile Moschusbrodem, der durch die Gehege wogte, hatte ein aggressives, unberechenbares Verhalten bewirkt.
    Jetzt, während die Tage wieder länger wurden, lagen sie still, die Bären und Hyänen und knochigen Flusspferde, der einsame Polarfuchs und die Affen, stundenlang, und beobachteten aus ihren Backsteinzellen und ihren schlammigen Gräben die vorüberschlendernden Besucher, ruhig, aber nicht entspannt, so schien es. Sie warteten. Auf den Regen der südlichen Breiten vielleicht, der New Crobuzon niemals erreichte,

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