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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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doch sie spürten in ihrem Mark, es war die Zeit. Und war der Regen nicht gekommen, fassten sie sich erneut in Geduld und harrten der Dürre, die gleichfalls ihre neue Heimat nicht berührte. Es musste eine merkwürdige Existenz sein, in ständiger Erwartung und Enttäuschung, philosophierten die Wärter zu dem Murren erschöpfter, verwirrter Tiere.
    Die Nächte hatten seit dem Winter zwei Stunden verloren, aber sie schienen umso mehr Substanz in die kürzere Spanne zu pressen, verdichteten sich, je mehr lichtscheue Aktivitäten in die knappen Stunden zwischen Sonnenuntergang und Tagesanbruch drängten. Jede Nacht zog das riesige alte Lagerhaus eine halbe Meile südlich des Zoos Scharen von Männern und Frauen an. Hin und wieder übertönte Löwengebrüll die Geräuschkulisse der grämlichen, niemals ruhenden Stadt und drang hinein zu den Massen. Es wurde ignoriert.
    Die einst roten Backsteinmauern des Lagerhauses waren vom fettigem Ruß vieler Jahre geschwärzt, gleichmäßig und akkurat wie von der Hand eines Malermeisters. Der alte Firmenname prangte noch an der Längswand: Cadnebar’s Soaps and Tallow. Cadnebar’s war in der Baisse von ’57 untergegangen. Die riesigen Maschinen zum Schmelzen und Läutern von Unschlitt waren auseinander genommen und als Altmetall verhökert worden. Nach zwei, drei Jahren ungestörten Verfalls, war Cadnebar’s als Gladiatorenzirkus wiedererstanden.
    Wie seine Vorgänger im Amt liebte Bürgermeister Rudgutter es, die zivilisatorischen Errungenschaften des republikanischen Stadtstaats New Crobuzon mit der Barbarei der benachbarten Völker zu vergleichen. Denkt an die anderen Länder von Rohagi, tönte er in Reden und Leitartikeln. Hier war nicht Tesh, nicht Troglodopolis, Vadaunk oder High Cromlech. Diese Stadt wurde nicht von Hexen regiert; diese Stadt war kein unterirdisches Höhlenlabyrinth; der Jahreszeitenwechsel ging nicht einher mit abergläubischem Terror; New Crobuzon schickte ihre Bürger nicht durch Zombiefabriken, ihr Parlament war nicht, wie das in Maru’ahm, ein Kasino, wo über Gesetze durch den Lauf der Roulettekugel entschieden wurde.
    Und hier war nicht, wie Rudgutter zu betonen pflegte, Shankell, wo intelligente Wesen zur Belustigung der Massen wie Tiere gegeneinander kämpften.
    Außer, natürlich, in Cadnebar’s.
    Illegal mochten sie sein, die Gladiatorenspiele, aber niemand erinnerte sich, dass es irgendwann eine Razzia gegeben hätte, hier, wo sich die Oberen Zehntausend vergnügten. Zahlreiche Gönner der besten Ställe waren Abgeordnete, Industrielle und Bankiers, die mittels ihrer Beziehungen das behördliche Interesse gering zu halten wussten. Es gab natürlich noch andere Arenen, die gleichzeitig Austragungsort für Hahnen- und Rattenkämpfe waren; wo an einem Ende Bären- und Dachsnecken stattfand, Schlangenringen am anderen und Gladiatorenfechten in der Mitte. Aber Cadnebar’s war legendär.
    Jeden Abend begann das Programm mit der Stunde der Amateure. Dutzende halbstarker, einfältiger, stiernackiger Bauernburschen, Helden ihrer Dorfgemeinschaft, die den weiten Weg von Grain Spiral oder den Mendican Hills gekommen waren, um in der Stadt berühmt und reich zu werden, ließen unter den Blicken der Elektoren die unreifen Muskeln spielen. Zwei oder drei wurden ausgewählt und, vom Jubel der Menge umbraust, in die Hauptarena geschoben. Guten Mutes hieben sie prüfend mit den Macheten, die man ihnen in die Hand gedrückt hatte, durch die Luft. Wenn dann das innere Tor sich auftat, erbleichten sie beim Anblick eines zyklopischen Remade-Gladiators oder unerschütterlichen Kaktuskriegers. Das folgende Gemetzel pflegte kurz und blutig zu sein und wurde von den Profis mit Hauptaugenmerk auf die Unterhaltung des Publikums gestaltet.
    Die Art der Kämpfe war Moden unterworfen. In den letzten Tagen des Frühlings waren Gefechte zwischen zwei Remade versus drei Kheprischwestern en vogue. Die Khepritriaden lockte man mit dem Versprechen immenser Kampfbörsen aus Kinken und Creekside heraus. Sie trainierten in der Regel bereits jahrelang zusammen, Einheiten aus drei religiösen Kriegerinnen nach dem Vorbild der Kheprischutzgöttinnen, der Starken Schwestern. Wie jene kämpfte die eine mit Hakennetz und Lanze, eine mit Armbrust und Steinschlossflinte und eine mit der typischen Khepriwaffe, welche die Menschen Blitzwerfer nannten.
    Als der Sommer unter der Haut des Frühlings zu schwellen begann, kletterten die Wetteinsätze ins Astronomische. Meilenweit entfernt,

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