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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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knurrte schadenfroh, als er feststellte, dass er unverletzt war. Er griff einen Schraubenschlüssel aus dem Haufen Werkzeug bei seinen Füßen und schleuderte ihn gegen den spiegelnden Helm.
    Ein heftiges Beben erschütterte den Æther. Isaacs Magen krampfte sich zusammen, ihn überlief ein eiskalter Schauer. Er blickte sich erschreckt um.
    Auch auf Derkhans Gesicht malte sich ein Ausdruck ratloser Angst. Yagharek hielt die linke Hand an die Stirn gedrückt, das lange Messer pendelte vergessen zwischen seinen Fingern. Die rechte Hand mit der Peitsche hing bewegungslos herab.
    Der Weber blickte wispernd auf.
    In Andrejs Brust war ein kleines, rundes Loch, wo die Kugel des Hauptmanns ihn getroffen hatte. Blut quoll pulsierend aus der Wunde, rann über seinen Bauch und tränkte die schmutzigen Kleider. Sein Gesicht war bleich, die Augen geschlossen.
    Mit einem Aufschrei stürzte Isaac zu ihm hin und ergriff die Hand des alten Mannes.
    Die Ausschläge von Andrejs Gehirn verflachten. Die Maschinen, die die Emanationen des Webers und des Konzils vereinten, stotterten unsicher, als ihre Schablone, ihr Vergleichsmuster, plötzlich schwächer wurde.
    Andrej war zäh. Er war ein alter Mann, ausgezehrt von einer innerlich fressenden Krankheit, sein Gehirn steif von geronnenen Traumemissionen, doch selbst mit einem Steckschuss unter dem Herzen und Lungenbluten brauchte er fast zehn Sekunden, um zu sterben.
    Isaac hielt ihn in den Armen, während er blutig röchelnd seine letzten Atemzüge tat. Der klobige Helm hing schief auf dem eingeschrumpft wirkenden Schädel. Isaac begleitete das Sterben des alten Mannes mit zusammengebissenen Zähnen. Ganz am Ende, vielleicht weiter nichts als ein letztes Zucken im Todeskampf, machte Andrej sich steif und klammerte sich an Isaac fest, beinahe eine Umarmung und, wie Isaac hoffte, eine Geste der Vergebung.
    Es musste sein es tut mir Leid es tut mir Leid, dachte er benommen.
     
    Hinter Isaac war der Weber nach wie vor damit beschäftigt, Muster in die über den Boden kriechenden Körpersäfte der Gierfalter zu zeichnen. Yagharek und Derkhan riefen nach Isaac, schrien Warnungen, als die Milizzer über die Dachkante sprangen.
    Eins der Luftschiffe war bis auf zwanzig oder dreißig Meter zu dem flachen Dach hinabgesunken, auf dem Isaac und seine Mitstreiter sich festgesetzt hatten. Es hing dort wie ein aufgeblasener Haifisch. Aus der Gondel fiel ein Gewirr von Seilen schlenkernd und peitschend durch die Luft.
    Andrejs Hirn losch aus wie eine zerschmetterte Lampe.
    Ein konfuser Wirrwarr von Informationen holperte durch die Differenzmaschinen.
    Ohne Andrejs Verstand als Richtschnur zerfielen die Muster des Webers und des Konstrukt Konzils, entgleisten, waberten unstet. Sie waren nicht länger das Abbild einer Form, nur mehr ein quirlendes Gemenge aus oszillierenden Partikeln und Wellen.
    Die Krisis löste sich auf. Die gelierende Mixtur aus Gehirnwellen war reduziert auf die Summe ihrer Teile und hatte aufgehört, etwas anderes vorzutäuschen. Das Paradoxon, die Spannung, war nicht mehr gegeben. Das gewaltige Feld der Krisisenergie verpuffte.
    Die glühenden Zahnräder und Motoren der Krisismaschine kamen holpernd zum Stillstand.
    Das gesamte virtuelle Gebäude stürzte krachend in sich zusammen, und der gewaltige Strom mentaler Energie versiegte wie abgeschnitten.
    Isaac, Derkhan und Yagharek und die Soldaten auf zehn Meter im Umkreis, stießen Schmerzensschreie aus. Sie fühlten sich, als wären sie aus gleißendem Sonnenschein in tiefste Dunkelheit gestürzt, und der plötzliche, radikale Wechsel drohte ihnen die Augäpfel aus den Höhlen zu pressen.
    Isaac ließ den toten Andrej sacht zu Boden gleiten.
     
    In der feuchten Hitze über der Perdido Street Station hing wie ein schwarzer Schatten der letzte Gierfalter. Er bewegte seine wallenden Schwingen in komplexen Vierwegmustern, sandte Luftgekräusel in alle Richtungen. Er zögerte.
    Der reiche Nahrungsquell, der fantastische Strom war versiegt. Die Ekstase, die den Falter ergriffen hatte, der schreckliche, zwingende Hunger, war verebbt.
    Er schleckte mit der Zunge, seine Fühler bebten. Unter ihm befand sich eine Hand voll denkender Wesen, doch bevor er sich zu einem Angriff entschließen konnte, spürte der Falter das chaotisch perlende Bewusstsein des Webers und erinnerte sich seiner in Kämpfen mit ihm empfangenen Wunden. Er kreischte vor Furcht und Wut, bog den Hals nach hinten und bleckte die monströsen Zähne.
    Und dann stieg die

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