Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
und stürzte sich in des Webers furchteinflößende, bergende Arme.
     
    Das zweite Luftschiff traf bei der Perdido Street Station ein und brachte Seile aus, um die Truppen abzusetzen. Vielgestalts Schwadron von Remade hatte die Dachschräge erklommen, die oben in Deckung liegenden Männer schauten ehrfurchtsvoll zu ihnen auf. Was sie sahen, überstieg ihr Begriffsvermögen.
    Die Remade übersprangen ohne Zögern die niedrige Brüstung und stutzten erst, als sie der gewaltigen, bedrohlichen Erscheinung des Webers ansichtig wurden, der kreuz und quer über die Dachfläche tänzelte, auf dem Rücken drei wie Puppen hüpfende Passagiere.
    Vielgestalts Truppen traten an die Kante zurück, Regen überglänzte ihre ausdruckslosen Metallgesichter. Ihre schweren Stiefel zermalmten, was von Isaacs Maschinen liegen geblieben war. Vor ihren Augen streckte der Weber die Hand aus und griff sich einen schlotternden Milizsoldaten, der jammervoll zu schreien begann, als er am Kopf in die Höhe gehoben wurde. Er zappelte, aber der Weber drückte seine Arme beiseite und wiegte ihn wie ein Baby.
    … AUF UND DAVON UND ZUR JAGD WOLLEN WIR NUN GEHEN …, verkündete er raunend. Er trippelte seitwärts über die Dachkante hinaus, als wäre dort fester Boden, und verschwand.
    Zwei oder drei Sekunden lang trommelte nur der Regen unregelmäßig und deprimierend auf das Dach, dann feuerte Gotteshand eine letzte Salve von oben herunter, die Milizzer und Remade spritzten auseinander. Als sie sich wieder aus ihrer Deckung hervorwagten, blieb alles ruhig. Jack Gotteshand war fort.
    Der Weber und seine Begleiter hatten keine Spur hinterlassen und keine Fährte.
     
    Der Gierfalter stürmte durch den Himmel, kopflos, erschüttert, außer sich vor Angst.
    Immer wieder stieß er fragende Rufe aus, in einer Vielzahl sonischer Register, doch er bekam keine Antwort. Er fühlte sich verlassen und verwirrt.
    Und doch, unter all dem Elend, meldete sich wieder sein infernalischer Hunger. Er hatte nicht den Appetit verloren.
    Unter ihm wand sich der Canker durch die Stadt, Barken und Vergnügungsboote tummelten sich wie Glühwürmchen auf dem schwarzen Band. Der Gierfalter verlangsamte seinen Flug und kreiste.
    Ein Streifen aus schmutzig grauem Rauch malte sich langsam wie mit einem stumpfen Bleistift quer über das Antlitz von New Crobuzon – ein Spätzug, der auf der Dexter Line ostwärts dampfte, durch Gidd und Barguest Bridge, dann weiter über den Canker nach Lud Fallow und Sedim Junction.
    Der Falter schwebte über Ludmead hinweg, dicht über den Dächern der Universitätsgebäude, landete kurz auf dem Turm der Magpie Cathedral in Saltbur, flog wieder auf, weitergetrieben von Hunger und einsamer Angst. Er konnte nicht rasten. Er war zu verstört, um Beute zu machen.
    Der Falter erkannte die Konstellation aus Licht und Dunkel unten auf der Erde. Er spürte eine plötzliche Anziehung.
    Hinter den Bahngleisen, aus dem schäbigen, abgewirtschafteten Häusergewirr von Bonetown aufragend, bogen die Rippen sich in elfenbeinernem Schwung in den Himmel. Erinnerungen regten sich im Kopf des Gierfalters. Er entsann sich an die beunruhigenden Schwingungen jener alten Knochen, die Bonetown zu einem Ort gemacht hatten, wo nicht gut sein war, wo es unberechenbare Luftströmungen gab und manchmal giftige Schwaden den Æther durchzogen. Vage Bilder von Tagen der Gefangenschaft, lasziv gemolken werden, verschwommenes Gefühl einer saugenden Raupe an seiner Zitze, aber nichts war da – die Erinnerungen überfielen ihn.
    Der Falter war erschüttert bis ins Mark. Er sehnte sich nach einem Nest, einem Ort, an dem er zur Ruhe kommen konnte, neue Kräfte sammeln. In seiner Not erinnerte er sich nur an die angenehmen Seiten seiner Gefangenschaft. Er war von aufmerksamen Pflegern gefüttert und gesäubert worden, dort, in Bonetown. Es war ein Refugium gewesen.
    Voller Angst und hungrig und mit geschwollenen Zitzen, überwand er seine Angst vor den Rippen.
    Er schwenkte nach Süden, leckte sich seinen Weg entlang halb vergessener Pfade in der Luft, umging die übel wollenden Rippen, suchte ein schwarzes Haus in einer schmalen Seitenstraße, ein verpichtes, lang gestrecktes Gebäude, aus dem er vor Wochen geflüchtet war.
    Der Gierfalter kreiste über der gefahrvollen Stadt und machte sich auf den Weg nach Hause.
     
    Isaac fühlte sich, als hätte er mehrere Tage hintereinander durchgeschlafen, er reckte sich genüsslich und fühlte seinen Körper unbequem vor- und

Weitere Kostenlose Bücher