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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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den Falter, dann schaute sie Isaac beschwörend in die Augen.
    »Er konnte sie nicht hypnotisieren! Sie kamen immer näher und er – er ließ sich zurücktreiben. Er hielt die Flügel ausgebreitet, sodass du seinen Bann nicht abschütteln konntest, aber er war verstört, er wusste nicht, was er tun sollte. Und während er immer weiter zurückwich, bewegte sich der Kran! Er merkte es nicht, obwohl der Boden bebte. Und dann blieben die Konstrukte stehen, und der Falter wartete – und die Kiste fiel auf ihn herunter.«
    Sie wandte den Kopf und schaute auf den Haufen aus organischem Schleim und anorganischer Schlacke, der sich auf dem Boden ausbreitete. Der Gierfalter wimmerte kläglich.
    Hinter ihr stakte der Avatar des Konstrukt Konzils über den Platz. Er kam in weniger als einem Meter Entfernung an dem Falter vorbei, der die Zunge hervorschnellte und versuchte, sie ihm um den Knöchel zu schlingen. Aber das Tier war zu schwach und zu langsam, und der Avatar brauchte nicht einmal einen Schritt beiseite tun, um der Zunge auszuweichen.
    »Er kann mein Bewusstsein nicht wahrnehmen. Ich bin für ihn unsichtbar«, erklärte er. »Und wenn er mich hört, wittert er meine sich nähernde physische Materie, meine Psyche aber bleibt undurchsichtig. Und unempfänglich für seine Manipulationen. Seine Flügel tragen komplexe, sich durch rasche Veränderung potenzierende Muster – weiter nichts.
    Ich träume nicht, dar Grimnebulin. Ich bin eine Rechenmaschine, die errechnet hat, wie man denkt. Ich träume nicht. Ich habe keine Neurosen, keine verborgenen Tiefen. Mein sich erweiterndes Bewusstsein ist das Ergebnis meiner Fähigkeit, Daten zu verarbeiten, nicht das barocke Gebilde, das eurem Verstand entsprießt, mit seinen Geheimkabinetten, Dachkammern und Kellergewölben.
    In mir findet sich nichts, wovon der Falter sich ernähren könnte. Sein Hunger bleibt ungestillt. Ich kann ihn überrumpeln.« Der Mann drehte sich um und schaute auf den sterbenden Falter. »Ich kann ihn töten.«
    Derkhan starrte Isaac an.
    »Eine denkende Maschine«, hauchte sie. Isaac nickte sinnend.
    »Weshalb habt ihr geglaubt, mich erst in Angst und Schrecken versetzen zu müssen?«, fragte er matt und schaute auf die dicken, roten Tropfen, die aus seiner Nase in den Staub fielen.
    »Ein Ergebnis meiner Berechnungen«, antwortete das Konzil durch den Mund seines Avatars. »Die Methode mit dem höchsten Grad an Wahrscheinlichkeit, dich von meinem Wert als Verbündeter überzeugen zu können, dazu der Vorteil, gleichzeitig einen der Falter zu vernichten. Wenn auch den am wenigsten gefährlichen.«
    Isaac schüttelte angewidert den Kopf.
    »Typisch«, knurrte er. »Immer derselbe Ärger mit exzessiver Logik. Kein Spielraum für Variablen wie zum Beispiel Kopfschmerzen …«
    »Isaac!« Derkhan schüttelte ihn behutsam. »Das ist es! Wir können das Konzil als – als Hilfstruppe benutzen. Wir können die Falter kriegen!«
    Yagharek war ein Stück näher gekommen und gesellte sich zu ihnen, doch er wahrte einen ihm scheinbar wichtigen höflichen Abstand. Isaac schaute zu ihm auf, während er angestrengt überlegte.
    »Verflixt«, meinte er gedehnt. »Gehirne ohne Träume.«
    »Die anderen werden nicht so leicht zu fangen sein«, gab der Avatar zu bedenken. Er schaute in die Höhe, wie auch der Riese aus Schrott. Für einen Moment flammten die starken Scheinwerferaugen auf und sandten grelle Lichtkegel in den Himmel, die suchend hin und her wanderten. Schwarze Schatten huschten durch die kreisenden Bannstrahlen, amorph, vage.
    »Es sind zwei«, sagte der Avatar. »Der Hilferuf ihres Vetters hat sie hergelockt.«
    »Gottschiet!«, fluchte Isaac erschreckt. »Was tun wir?«
    »Sie werden nicht kommen«, erklärte der Wiedergänger. »Sie sind schneller und stärker, weniger leichtgläubig als ihr zurückgebliebener Bruder. Sie ahnen, dass etwas nicht stimmt. Schmecken können sie nur euch drei, aber sie spüren die physischen Schwingungen aller meiner Körper. Die Differenz beunruhigt sie. Sie werden nicht kommen.«
    Isaac, Derkhan und Yagharek entspannten sich langsam.
    Sie musterten sich gegenseitig, den ausgemergelten Avatar. Hinter ihnen winselte der Gierfalter im Todeskampf. Er wurde ignoriert.
    »Wie«, sagte Derkhan, »gehen wir vor?«
     
    Nach einigen Minuten verschwanden die gaukelnden, unheilvollen Schatten aus dem Himmel über der Deponie. Von diesem kleinen, trostlosen Winkel der Stadt, umgeben von den Geistern der Industrialisierung, hob sich

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