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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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nicht wie bei seiner Erfahrung mit Dreamshit; nirgends ein Kern seiner selbst, den er fixieren, an den er sich halten konnte. Dies waren keine fremden Träume, es waren seine eigenen und es gab kein Ich, um sie vom Rand her zu beobachten, er selbst war der Strudel aus Bildern, er war das Gedächtnis und das Symbol. Er war die Erinnerung an Elternliebe, an intensive Sexfantasien, an die bizarren verrückten Erfindungen, die Ungeheuer, die Abenteuer die Denkfehler die glorifizierende Selbstbetrachtung die mutierende Masse des Unterbewussten triumphierend über Ratio und Erkenntnis und die Reflexion aus der sie hervorgingen die angsteinflößenden und ehrfurchtgebietenden Wechselströme des Unterbewusstseins das Träumen
    das Träumen
    es
    es hörte auf
    ganz plötzlich, und Isaac brüllte bei dem unvermittelten, schmerzhaften, Zugriff der Realität.
    Er zwinkerte heftig, als die Ebenen seines Verstandes knatternd wieder in die alte Ordnung fielen; das Unterbewusste an den Ort zurücksank, wohin es gehörte. Er schluckte schwer. Der Prozess der Reorganisation in seinem Schädel fühlte sich an wie eine Implosion.
    Er hörte das letzte Wort von etwas, das Derkhan gesagt hatte.
    »… unglaublich!«, rief sie. »Isaac? Isaac, kannst du mich hören? Bist du wieder bei uns?«
    Isaac kniff die Augen fest zusammen und machte sie langsam auf. Die Nacht pendelte sich zurück ins Gleichgewicht.
    Seine Beine knickten ein, er fiel auf Hände und Knie und merkte, dass er nicht mehr von dem Konstrukt umklammert wurde, dass allein der oneirische Bann des Gierfalters ihn aufrecht gehalten hatte. Er hob den Kopf und wischte sich das Blut aus dem Gesicht.
    Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was er vor sich sah.
    Derkhan und Yagharek standen, frei, am Fuß der Müllberge. Yagharek hatte die Kapuze zurückgeworfen und den imposanten Raubvogelkopf enthüllt. Beide standen da wie im Ansatz einer Bewegung erstarrt, bereit, hierhin oder dorthin zu springen oder zu laufen. Beide schauten gebannt zur Mitte des Platzes.
    Dort wanderten etliche der großen Konstrukte, die hinter Isaac gestanden hatten, als der Falter landete, ohne erkennbare Absicht um ein enormes, neues, Trümmerfeld herum.
    Der mächtige, kettenbehangene Arm eines Lastkrans ragte über die Arena des Konstrukt Konzils. Er war vom Fluss weg über die für ihn nicht nennenswerte Barriere aus Schrott bis zum Zentrum des freien Platzes geschwenkt. Unmittelbar darunter lagen die Trümmer einer in Stücke gegangenen riesigen Holzkiste, ein ehemals etwas mehr als mannshoher Würfel. Aus den geborstenen Bretterwänden ergoss sich der Inhalt, ein noch nicht zur Ruhe gekommener Berg Alteisen, Koks und Bauschutt, ein buntes Gemisch aus dem schwersten Material, das auf der Griss-Twist-Deponie zu finden gewesen war.
    Der zwischen den gesplitterten Brettern hindurch nachrutschende, gewichtige Ballast sammelte sich nach und nach neben dem Behältnis.
    Darunter, schwächlich scharrend und klägliche Laute ausstoßend, eine Masse aus geborstenem Chitin und zerquetschtem Fleisch, die Schwingen gebrochen und begraben unter der Last aus Schrott und Schutt, lag der Gierfalter.
     
    »Isaac, hast du das mitgekriegt?«, schrie Derkhan.
    Er richtete sich schwerfällig auf und schüttelte den Kopf.
    »Was ist passiert?«, brachte er krächzend hervor. Die eigene Stimme klang ihm bestürzend fremd in den Ohren.
    »Du warst fast eine Minute weggetreten«, berichtete Derkhan aufgeregt. »Das Vieh hatte dich in seinem Bann. Ich habe dich angeschrien, aber du warst schon hinüber – und dann setzten die Konstrukte sich plötzlich in Marsch.« Sie schaute staunend auf die Maschinen, die sich um den besiegten Feind scharten. »Sie kamen auf es zu, und es konnte sie spüren – und es schien verwirrt zu sein und ratlos. Es wich ein Stück zurück und klappte die Flügel weiter nach hinten, um auch die Konstrukte zu hypnotisieren, aber sie zogen den Kreis immer enger!«
    Derkhan kam stolpernd auf ihn zu. Blut lief an ihrem Hals hinunter, von der Wunde am Ohr, die sich wieder geöffnet hatte. Sie schlug einen weiten Bogen um den halb zerquetschten Falter, der leise blökte, zart und erbarmungswürdig wie ein Lämmchen, als sie vorbeiging. Sie behielt ihn ängstlich im Auge, aber er war keine Gefahr mehr, eingeklemmt, zerschmettert, der Macht seiner Schwingen beraubt.
    Derkhan sank neben Isaac auf die Knie und legte ihm die heftig zitternden Hände auf die Schultern. Sie warf noch einen nervösen Blick auf

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