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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Schritte von Isaac und Yagharek hörte, die von ihrer Mission zurückkehrten.
    Als Derkhan ihnen die Tür öffnete, schrie Andrej um Hilfe. In seinem gebrechlichen Körper steckte eine erstaunlich kräftige Stimme. Isaac, der eben Derkhan fragen wollte, was für eine Geschichte sie Andrej aufgetischt hatte, stürzte hinzu, um ihn zum Schweigen zu bringen.
    Für einen Sekundenbruchteil, als Isaac den Mund aufmachte, für einen winzigen Augenblick, hing das Folgende in der Schwebe, bestand die Möglichkeit, dass er etwas sagte, um die Befürchtungen des alten Mannes zu zerstreuen, ihm versicherte, dass ihm kein Leid geschehen würde, es gäbe einen guten Grund für die etwas ungewöhnlichen Umstände. Andrej verstummte und schaute ihn an, hoffte, dass man ihn beruhigte.
    Aber Isaac war müde, und er konnte nicht denken und die Lügen, die ihm auf die Zunge drängten, schmeckten widerlich. Die gedachten Worte blieben unausgesprochen. Isaac ging auf Andrej zu und überwältigte den alten Mann ohne Mühe, erstickte sein näselndes Wimmern mit einem Knebel, fesselte ihn mit einem alten Seil und lehnte ihn so bequem wie möglich gegen eine Wand. Der Todkranke stieß durch den Knebel maunzende Laute aus und atmete schnorchelnd, in seinen Augen stand das blanke Entsetzen.
    Isaac bemühte sich, seinen Blick festzuhalten, eine Entschuldigung zu murmeln, ihm zu sagen, wie leid es ihm tat, aber Andrej war vor Angst kaum noch bei Sinnen und verstand ihn nicht. Als Isaac sich hilflos abwandte, griff Derkhan nach seiner Hand und drückte sie, dankbar, dass endlich jemand ihre Bürde teilte.
     
    Es gab viel zu tun.
    Isaac begann mit seinen abschließenden Vorbereitungen. Andrejs Atem ging blasig und schnorchelnd, er greinte und Isaac sah schuldbewusst zu ihm hin, bevor er sich Derkhan und Yagharek zuwandte, um ihnen kurz und knapp zu erklären, was er tat.
    Er machte eine Inventur der Bestandteile seiner Krisismaschine, er brütete über seinen Aufzeichnungen, klopfte seine Gleichungen per Probe und Gegenprobe auf Fehler ab, verglich sie mit den Zahlen, die der Konstrukt Konzil ihm gegeben hatte. Er nahm sich das Kernstück der Krisismaschine vor, den geheimnisvollen Apparat, den er dem Konzil vorenthalten hatte. Es war ein rechteckiger Kasten, ein versiegelter Motor aus verschlungenen Drähten, ein Netz elyktrostatischer und thaumaturgischer Stromkreise.
    Er reinigte alles sorgfältig, überprüfte die beweglichen Teile.
    Isaac machte sich selbst und seine Ausrüstung einsatzbereit.
    Als Pengefinchess von irgendeiner nicht näher erklärten Erledigung zurückkam, hob Isaac kurz den Blick. Sie grüßte ruhig, vermied es, jemanden anzusehen, während sie sich zum Aufbruch fertig machte, ebenfalls ihre Ausrüstung überprüfte und den Bogen einölte, damit er im Wasser keinen Schaden nahm. Sie erkundigte sich, was aus Shadrachs Pistole geworden sei, und schnalzte bedauernd, als Isaac antwortete, er wüsste es nicht.
    »Schade. Sie war eine mächtige Waffe«, bemerkte sie gedankenverloren, den Blick durch das Fenster in eine unbestimmte Ferne gerichtet. »Malefiziert. Eine magische Waffe …«
    Isaac fiel ihr ins Wort. Er und Derkhan beschworen sie, ihnen noch einmal zu helfen, bevor sie weiterzog. Sie drehte sich um und schaute Andrej an, den sie erst jetzt zu bemerken schien, ignorierte Isaacs Bitten und verlangte zu wissen, was zur Hölle er im Schilde führte. Derkhan zog sie weg von Andrejs verängstigtem Grunzen und Isaacs verbissener Geschäftigkeit und erklärte ihr den Plan.
    Dann fragte sie Pengefinchess wieder, ob sie ihnen nicht noch ein letztes Mal helfen wollte. Sie konnte nur bitten.
    Isaac hörte mit halbem Ohr zu, doch bald verschloss er sich gegen die geflüsterten Beschwörungen und widmete sich stattdessen seiner Crux, den komplexen Problemen der Krisismathematik.
    Neben ihm hörte Andrej nicht auf zu wimmern.

 
KAPITEL 15
     
     
    Als sie sich kurz vor vier Uhr nachmittags zum Aufbruch bereit machten, schloss Derkhan nacheinander erst Isaac und dann Yagharek in die Arme. Sie zögerte nur einen kurzen Moment, bevor sie den Garuda an sich drückte. Er erwiderte die Umarmung nicht, duldete sie aber, ohne sich zu sträuben.
    »Wir sehen uns am Treffpunkt«, murmelte sie.
    »Du weißt, was du zu tun hast?«, fragte Isaac. Sie nickte und schob ihn zur Tür.
    Er zögerte; was jetzt getan werden musste, kostete ihn größte Überwindung. Andrej war von der stundenlangen Angst erschöpft, in seiner Ecke in eine Art Stupor

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